Der Herzschlag der Alpen ist in Sölden gerade kaum mehr zu fühlen. In diesem Herbst pulsiert es nicht auf den Skipisten und Straßen, es pocht nichts aus den Bars und Hütten. Es wirkt beinahe so, als wäre die Tiroler Wintersportmetropole wenige Tage vor dem Beginn der Weltcup-Saison im Winterschlaf – wie auf dem historischen Bild im Hotel-Foyer.
Auf Grund der Corona-Pandemie sahen sich der ÖSV und die Ötztaler dazu veranlasst, den Weltcupstart diesmal unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden zu lassen. „Das Wichtigste ist, dass wir die Rennen fahren“, betont Verbandspräsident Peter Schröcksnadel, auf die Zuschauereinnahmen wäre der ÖSV nicht angewiesen.
Die Menschen in Sölden sehen das naturgemäß anders. Praktisch jeder lebt hier vom Tourismus und ist auf Gäste angewiesen. Es gibt kaum ein Haus ohne Gästebett und entlang der Hauptstraße gefühlt alle 50 Meter einen Skiverleih oder ein Sportgeschäft.
Das Weltcup-Wochenende im Oktober ist normalerweise der Startschuss zur Wintersaison. Wenn die Bilder von den Rennen und den schneebedeckten Gipfeln um die Welt gehen, dann reiben sie sich im Ötztal die Hände. „Der Werbewert des Weltcups beträgt zwischen sieben und acht Millionen Euro“, erklärt der Ötztaler Tourismuschef Oliver Schwarz.
Doch noch wichtiger sind die Menschenmassen, die traditionell zum Weltcup-Auftakt nach Sölden kommen. 20.000 Nächtigungen werden in Nicht-Corona-Zeiten allein am Rennwochenende verbucht, dazu kommen Tausende Tagesgäste, die ebenfalls die Kassen klingeln lassen. „An diesen drei Tagen werden etwa 4,5 Millionen Euro umgesetzt“, berichtet Schwarz.
Heuer werden sie in Sölden rund um den Weltcup-Auftakt nicht einmal einen Bruchteil davon verdienen. Denn außer Athleten und Betreuern, Offiziellen, einigen Sponsorvertretern und Journalisten, die vorab alle zum Corona-Test gebeten wurden, ist derzeit niemand im Ötztal. Zwar wäre der Tiefenbach-Gletscher bereits für den Publikumsskilauf geöffnet, doch die Reisewarnungen für Tirol (vor allem aus dem Kernmarkt Deutschland) halten viele vor einem Skiurlaub ab.
Deshalb verkommt Sölden dieser Tage fast zu einem Geisterdorf, zumal auch noch all die Beteiligten am Rennen dazu angehalten wurden, aus Sicherheitsgründen sich vornehmlich in den eigenen Unterkünften aufzuhalten.
Aber es gibt an diesem Wochenende ohnehin kaum Gelegenheiten für einen Einkehrschwung. Von den 63 Restaurants in Sölden haben aktuell nur 15 geöffnet, der Großteil der 27 Bars ist geschlossen, selbst beim Supermarkt im Zentrum steht man vor verschlossenen Türen.
Vielen langjährigen Weltcup-Reportern ist es gar nicht einmal so unrecht, dass heuer der schrille Klangteppich aus Partysound, Musikappellen und Gegröle eingerollt ist und das Halligalli und Remmidemmi einmal Pause machen.
In Sölden sehnt man verständlicherweise den Alltag herbei. Wie sagt Tourismuschef Schwarz: „Wir stecken in einer brutalen Situation: Wir können nichts planen.“
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