Gewinnen beginnt im Kopf: Was der Spaß mit dem WM-Erfolg zu tun hat

Zusammenfassung
- Lockerheit und Freude steigern die Leistung und Reaktionsfähigkeit bei Skirennen.
- Mentalcoach Wolfgang Seidl erklärt, dass Freude Glückshormone freisetzt und die Konzentrationsfähigkeit erhöht.
- Athleten wie Marco Odermatt nutzen mentales Training, um den Fokus auf positive Erlebnisse zu lenken.
Jubel, Trubel, Heiterkeit. Die jungen Schweizer machen es vor. Sie zeigen, dass Erfolge gefeiert werden müssen und dass Lockerheit und Leistung offenbar einhergehen.
Aber nicht nur das „Feiern bis zum Umfallen“ (© Franjo von Allmen), sondern auch das (nüchterne) Wohlbefinden am Ski funktioniert beim Schweizer Männer-Team momentan am allerbesten. „Wenn ich Spaß habe, bin ich immer schnell“, sagt Alexis Monney. Und auch Kollege Von Allmen versucht, wenn er schnell sein will, „Spaß zu haben beim Skifahren“.
Glückshormone
Auch bei der ÖSV-Abfahrts-Vizeweltmeisterin von Saalbach, Mirjam Puchner, fiel in ihren Interviews auf, wie sehr sie betonte, dass sie sich im Vorfeld so sehr auf das Rennen gefreut hatte.
Ist Freude also der Schlüssel zum Erfolg?
Der KURIER fragte bei Mentalcoach Wolfgang Seidl nach. Auf jeden Fall sei das ein Schlüssel, sagt er. „Freude ist so ein intensives Gefühl, das man im ganzen Körper empfindet. Dadurch werden Glückshormone, etwa Dopamin, ausgeschüttet“, erklärt er.
„Man sagt, dadurch ist man energiegeladener.“ Studien belegen auch, so der Mentalcoach, dass diese Hormonausschüttung auch die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit erhöht. Die Folge: größere Aufmerksamkeit und Wachheit.
„Ich glaube, Freude kommt zustande, wenn man sich wohlfühlt auf der Strecke“, sagt Mirjam Puchner. Eine Vorfreude wie jene vor der WM-Abfahrt von Saalbach „hatte ich selten zuvor so gespürt. Das war fast unheimlich“, sagt sie.
Sie ist sich sicher, dass dieser Zustand „eine gewisse Lockerheit und Sicherheit“ bringe. „Wenn man sich freut, denkt man nicht zu viel nach und hat einen Plan, den man abspielt.“

ÖSV-Star Mirjam Puchner freute sich auf, aber auch über das Rennen
Johnson zu Shiffrin: "Mach es nicht wegen der Medaille"
Umgekehrt dürfte es bei Mikaela Shiffrin vor ihrem Einstieg in diese Weltmeisterschaft gewesen sein. Sie machte vor der Team-Kombi ihre posttraumatische Belastungsstörung öffentlich. Statt Freude am Skifahren habe sie Angst, beschrieb sie.
Aber offenbar hatte ihre Team-Partnerin Breezy Johnson genau das richtige Rezept für die Beste aller Zeiten: „Mach es nicht wegen der Medaille“, sagte die Abfahrtsweltmeisterin zu Shiffrin. „Mach es einfach aus Spaß!“ Das habe die Rekordsiegerin in ihrem mentalen Tief „beflügelt“, sagte sie nach dem Rennen am Dienstag, das den beiden die Goldmedaille bescherte.
Kindliche Freude
„Im Spitzensport geht oft diese kindliche Freude verloren“, erklärt Mentalcoach Seidl. Es drehe sich alles nur mehr um Leistung, Punkte, Geld und Sponsoren. „Dadurch verkrampfen Athleten oft.“
Hier den Schalter umzulegen schafft nicht jeder Athlet alleine. Viele verlassen sich auf mentales Training. Zuletzt hatte das etwa auch Marco Odermatt erklärt. Dabei gebe ihm seine Trainerin gewisse Fertigkeiten in die Saison mit, die er sich selbst auf der Tour wieder in Erinnerung ruft.
„Man versucht, den Fokus bewusst auf Positives zu lenken“, sagt Seidl. „Der Athlet versucht dann zum Beispiel, dankbar zu sein, seinen Lieblingssport als Beruf ausüben zu können. Das Wetter, die Piste, die Zuseher, die Schwünge, den Speed, die Schräglage... das alles wieder zu genießen und sich zu erinnern, warum sie diesen Sport begonnen haben.“ Dieser Fokus könne in den entscheidenden Momenten massiv leistungssteigernd sein, so der Mentalcoach.
Auf Knopfdruck
Natürlich kann man nicht auf Knopfdruck Freude und Wohlbefinden hervorrufen, sagt Mirjam Puchner. Sie weiß, dass oft auch die äußeren Umstände positive oder negative Gefühle beeinflussen. „Da tragen auch die Trainingstage viel dazu bei.“
Die Grundlage sei immer noch eine gute Technik, sagt Julia Scheib. „Ich schaue im Training, dass der Lauf passt, dann kann ich anderes ausblenden. „Wenn man sich auf das Skifahren konzentrieren kann, dann ist man meistens schnell.“ Sie gehe mit einer Riesenfreude ins nächste WM-Rennen. Vielleicht ein gutes Omen.
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