Feller und der Denksport: Wie sich Ski-Profis einen Slalomlauf merken

Zusammenfassung
- Ski-Profis wie Manuel Feller verwenden individuelle Techniken, um sich Slalomläufe einzuprägen.
- Athleten haben unterschiedliche Herangehensweisen bei der Pisteninspektion: einige nutzen kurze Besichtigungen, andere bleiben länger. Der eine oder andere verlässt sich auf digitale Informationen.
- Auch erfahrene Läufer finden manche Strecken herausfordernd zu memorieren, wie der vermeintlich einfache Slalom in Flachau, der sich als schwierig erwies.
„Eins, zwei, drei, vier Haarnadel… eins, zwei auf drei, enger!“ Manuel Feller ist voll konzentriert. Er wiegt Kopf und Arme im Rhythmus. „Vier, fünf, sechs, sieben… schräge Vertikale…“ Der ÖSV-Star geht hier in Saalbach den letzten Weltcup-Slalomlauf in Schladming noch einmal durch, in dem er sich vor knapp zwei Wochen einen Platz auf dem Podium sicherte.
Manuell Feller prägt sich Slalomlauf ein
Slalom- und Riesenslalomläufe beginnen für die Athleten nicht mit Startnummer 1 – sondern gut eine Stunde davor. Denn da öffnen sich die Tore für die Pisteninspektion. 45 Minuten sind dafür anberaumt.
Jeder Läufer, jede Läuferin hat eine eigene Herangehensweise. „Der Ötzi fährt auf Sicht“, sagt Feller über seinen Kollegen Fabio Gstrein. Der Ötztaler brauche nur rund zehn Minuten für die Besichtigung, ähnlich wie der Schweizer Loic Meillard oder ÖSV-Kollegin Katharina Truppe.
Für lange Aufenthalte am Hang ist der Norweger Henrik Kristoffersen bekannt. Er ist oft der Letzte, der bei der Inspektion die Ziellinie überquert. Im Rennen gehört er seit Jahren zu den Schnellsten.
Der erste Schritt beim Besichtigen ist jener ins Starthaus. Der Blick auf das erste Tor ist essenziell. Hat der Läufer darüber und über die Beschaffenheit der Piste einen ersten Eindruck, beginnt er damit, sich den Lauf einzuprägen. An Schlüsselstellen stehen Trainer und geben Infos. Merkenswert sind etwa:
- Kombinationen
- enge Torabstände
- Stellen, an denen der Lauf zu drehen anfängt
- Tempowechsel
Den Lauf direkt aufs Handy
Manuel Feller ist einer, der sich so gut wie jedes Tor merkt, wie er eingangs eindrucksvoll vorspielt. Wie man sich den Lauf einprägt, ist von Läufer zu Läufer verschieden.
„Seit zwei Jahren kriegen wir alle Informationen, wie zum Beispiel die Torabstände, per WhatsApp geschickt, das ist für mich das Wichtigere“, sagt Fabio Gstrein. „Was soll ich mir groß merken, wenn zehn offene Tore sind?“ Die Info-Nachricht helfe ihm mehr, als den Lauf auswendig zu lernen.
Langsam, in Echtzeit, schneller
„Sich einen Lauf zu merken, ist für uns tägliches Brot“, sagt Katharina Gallhuber. Sie merke sich – wie Kollege Feller – Slaloms um die 60 Tore auswendig.
„Für das, dass ich mir alles einpräge, bin ich eigentlich relativ schnell“, sagt Feller. Während der Besichtigung gehe er den Lauf 15 bis 20 Mal durch. Im Ziel noch zwei, drei Mal. Dann geht er ihn noch unter Zeitdruck durch, um währenddessen Stress zu simulieren. Zuerst schneller als in Echtzeit, dann in Echtzeit.
Danach wieder langsam, um die Bewegungen durchzugehen. Nicht nur im Kopf, sondern auch mit dem Körper. Feller bewegt sich dabei, um zu veranschaulichen, wie er mit dem Oberkörper, dem Kopf, den Armen „mitfährt“. Nach einer Pause geht er den Lauf noch etwa 15-mal durch. Das Merkpotenzial des ÖSV-Stars ist beeindruckend.
Je simpler, desto schwieriger
Man werde mit der Erfahrung schneller beim Besichtigen. Und im Laufe der Saison werde auch der Kopf immer besser trainiert und die Läufe gehen leichter ins Gedächtnis.
Manchmal ist es aber auch trotz aller Übung schwer, sich einen Lauf einzuprägen. Ausgerechnet der Hang, den Feller und Kollegen vorab als zu einfach abgetan hatten, hat die Athleten am Ende an die Grenzen gebracht: der Slalom in Flachau, wo normalerweise die Frauen fahren, der 2021 einen ausgefallenen Slalom ersetzte. „Der ganze Hang ist so gleich. Du hast drei, vier Wellen drin und weißt beim Durchgehen nicht, bin ich jetzt bei der zweiten oder der dritten Welle?“ Nicht nur Feller hatte seine Probleme, wie er nach dem Rennen aus dem Fahrerfeld hörte.
Pinheiro Braathen und die Piste als Leinwand
Und noch was hat Feller geholfen bei den Gedächtnisübungen: die Musik. Seit er sich regelmäßig lange Texte merke, gehe es noch besser. Außerdem entdecke er Parallelen, da es im Slalom wie im Reggae viele Rhythmuswechsel gebe, mit denen man klarkommen muss.
Während der eine mit der Musik assoziiert, vergleicht es ein anderer gar mit Malerei. „Die Streckeninspektion ist nicht nur Vorbereitung“, schreibt das Social-Media-Team von Lucas Pinheiro Braathen auf Instagram.
„Es ist eine Kunstform.“ Der Brasilianer ziehe nach akribischer Studie Schwünge wie Pinselstriche auf die Leinwand heißt es da. „Kein Detail ist zu klein, keine Nuance wird übersehen.“
Für Braathen sei die Inspektion mehr als nur Routine. „Es ist die Grundlage für seine Performance.“
Abschließen
Und wenn es einmal nicht läuft? Bei einem Ausfall im Rennen hat Feller eine besondere Verarbeitungstaktik. Da geht er am selben Tag das Rennen noch einmal durch und fährt im Kopf den Lauf fertig. „Für mich ist wichtig, dass ich das Rennen abschließe.“
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