Im stillen Örtchen: Åre ist nicht im Ski-WM-Fieber

Im stillen Örtchen: Åre ist nicht im Ski-WM-Fieber
WM-Ort im Winterschlaf: Die Ski-Begeisterung in Åre ist überschaubar, aber nicht jeden stört’s.

Die alte Frau am Straßenrand kann einem echt leidtun. Was sie auch probiert, es nimmt kaum jemand Notiz von ihr. Gut, es war jetzt vielleicht nicht die geschickteste Idee, zwei Norwegern eine schwedische Fahne aufschwatzen zu wollen, aber auch ihren Gratis-Kaffee bringt sie nicht an den Mann. Da kann sie noch so freundlich winken.

Aber wer soll hier an diesem Ort, keine fünf Gehminuten vom Zielstadion entfernt, auch Kaffee trinken? Wer sich eine Fahne schnappen? Wo praktisch keiner vorbeigeht, da kann auch niemand stehenbleiben. Es ist keine halbe Stunde hin bis zur Kombinationsabfahrt der Damen, das Wochenende steht vor der Tür, und Åre präsentiert sich wie im Winterschlaf.

Ortswechsel, Besuch im sogenannten Sponsor Village, einer kleinen Zeltstadt, die gemacht und gedacht ist für die Tausenden Fans, die es während der Ski-WM nach Åre ziehen soll. Der laute Sound, der aus den Boxen kommt, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die Fanmeile einem stillen Örtchen gleicht. Für Menschen, die unter Platzangst leiden, wäre der WM-Ort im Moment ein wahres Paradies.

Leere Tribünen

„Ich hätte mir gedacht, dass mehr los sein wird“, sagt die Kellnerin im Espresso House im Zentrum von Åre. Sie hat Zeit zum Plaudern, die elegante Kaffee-Bar ist am Vormittag genauso schlecht besucht wie die feinen Restaurants am Abend – und wie das Zielstadion. Als am Donnerstag das erste Herren-Abfahrtstraining gefahren wurde, hatten die Fanklubs der ÖSV-Läufer die riesige Tribüne praktisch für sich.

Für einige mag es möglicherweise irritierend wirken, dass den Menschen in Åre die Brettl’n nicht die Welt bedeuten. Für jemanden, der gerade das Remmidemmi in Kitzbühel und in Schladming erlebt hat, ist dieser entschleunigte WM-Ort aber eine wohltuende Abwechslung. Auch wenn bereits die ersten Stimmen laut wurden – natürlich aus Österreich – dass es eine Frechheit gewesen sei, eine Ski-Weltmeisterschaft an die 1400-Einwohner-Gemeinde im hohen Norden zu vergeben.

Aber warum eigentlich?

Im stillen Örtchen: Åre ist nicht im Ski-WM-Fieber

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Im stillen Örtchen: Åre ist nicht im Ski-WM-Fieber

Geringe Auswahl

Der Weltverband FIS und die Skifans müssen mittlerweile froh um jede Nation und Destination sein, die überhaupt noch eine Großveranstaltung austragen will. Im Skisport reduziert sich der Kreis der Kandidaten ohnehin nur auf wenige Länder in Europa (Österreich, Schweiz, Deutschland, Italien, Frankreich und Schweden) und die Vereinigten Staaten. Als die FIS zuletzt mit dem Skisport neue Märkte erobern wollte, hatte das jeweils im Schnee-Chaos geendet: 1993 konnten in Morioka (JPN) nicht alle Bewerbe durchgeführt werden, zwei Jahre später musste die Weltmeisterschaft in der spanischen Sierra Nevada überhaupt abgesagt und um ein Jahr verschoben werden.

Ruhige Zeiten

Den Protagonisten scheint es jedenfalls wenig auszumachen, dass ihnen bei dieser WM nicht die Massen zujubeln. „Mir taugt es hier“, sagt etwa Super-G-Vizeweltmeister Vincent Kriechmayr. Die Stars können hier völlig unbehelligt ihre Kreise ziehen, als sich die Abfahrer am Freitag an der Talstation des Sesselliftes versammelten, wurden sie von den Hobbyskifahrern links liegen gelassen. Wahrscheinlich hat hier sogar Marcel Hirscher seinen Frieden. Der siebenfache Weltcup-Gesamtsieger sagt heute noch, dass er in seiner Karriere nie mehr einem größeren Stress ausgesetzt gewesen sei als bei der Heim-WM 2013 in Schladming.

Flutlicht an

Dass Hirscher sich noch einmal eine Heim-WM antut, ist praktisch ausgeschlossen. Saalbach-Hinterglemm wird frühestens für 2025 den Zuschlag erhalten, die Pinzgauer Gemeinde hat sich wieder für eine Kandidatur entschieden. Saalbach wird und soll eine ganze andere WM werden als hier in Åre. Dafür will allein schon ÖSV-Boss Peter Schröcksnadel mit seinem kühnen Plan sorgen: „Dort fahren wir dann hoffentlich die Abfahrt bei Flutlicht.“

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