Überlegener Hirscher-Sieg im Riesentorlauf von Val d'Isère

Marcel Hirscher ist im Riesentorlauf weiterhin das Maß aller Dinge.
Der Salzburger lässt seiner Konkurrenz nicht den Hauch einer Chance und landet den 60. Weltcup-Sieg.

Es ist vollbracht: Marcel ist seit Samstagnachmittag 60-facher Weltcupsieger. Und als wäre diese Marke nicht alleine schon aller Ehren wert, zeigte der 29-Jährige aus Annaberg einmal mehr seine Sonderstellung auch auf der Piste. Denn es war alles andere als ideal, was Val d'Isère für den ersten Tag des Critérium de la Première Neige zu bieten hatte: Neuschnee und Wind hatten bereits um drei Uhr in der Früh die Pistenkommandos zur Arbeit unter Flutlicht gezwungen, um 7.14 Uhr wurde die erste Lawine im Hochtal an der italienischen Grenze gesprengt. 

Die sonst üblichen Riesenslalom-Läufe zum Einfahren konnten nicht gesetzt werden, und als wäre all das nicht genug, war die Salzburger Nummer eins mit der Startnummer eins auch noch sechs Minuten lang zum Warten im Starthaus gezwungen - der um rund 15 Fahrsekunden verkürzte Kurs wurde noch einmal mit Farbe markiert, um den Fahrern im Schneefall zumindest irgendeinen Anhaltspunkt bieten zu können.

Marcel Hirscher war all das egal - in 52,41 Sekunden legte er im ersten Lauf eine Zeit auf die Face de Bellevarde, die niemand auch nur annähernd erreichte. "Du musst auf diesem steilen Hang so sehr pushen wie sonst im Flachen, du musst aggressiver sein als der Berg", verriet der Olympiasieger einen Teil seines Erfolgsrezepts. Doch umsetzen wie er konnte das sonst niemand. Der zweitplatzierte Slowene Zan Kranjec war bereits 0,71 Sekunden länger unterwegs, der drittplatzierte Schwede Matts Olsson 0,99 Sekunden. Und der Deutsche Stefan Luitz, beim ersten Riesenslalom der Saison in Beaver Creek noch Sieger und eigentlich ein Spezialist für diesen so schwierigen Hang in der französischen Skistation, war mit 1,60 Sekunden Rückstand nur an achter Stelle zu finden.

Damit erging es dem Deutschen, dessen Sauerstoffkonsum in Beaver Creek weiter für Gesprächsstoff sorgt, immerhin besser als dem Schweizer Thomas Tumler, der seinen dritten Rang vor knapp einer Woche in Colorado nicht bestätigen konnte - der Samnauner fiel aus. Nach kapitalen Fehlern im Finale aber musste sich Stefan Luitz mit Rang 30 begnügen. "Er tut mir einfach nur leid, wenn'st so auf die Gosch'n fällst, ist es zum Rehr'n. Als Athlet musst du deinen Trainern, Betreuern und Ärzten vertrauen", sagte Hirscher, "es ist verrückt und schlecht, dass sein Team diesen Fehler gemacht hat." Unter dem Code der Welt-Anti-Doping-Agentur vom 1. Jänner 2018 ist Sauerstoff wieder zugelassen, nach den Richtlinien des Ski-Weltverbandes FIS aus dem Jahr 2016 aber nicht. "Den Fehler hat jemand anders gemacht, da ist einfach irgendetwas in der Kommunikation schiefgegangen." Hirscher hatte in jungen Jahren selbst mit Sauerstoff aus der Flasche zu tun, als er noch erlaubt war, "nicht im Wettkampf, aber beim Ausradeln am Nachmittag. Mein Körper war damit aber nicht happy, denn zum Einen fehlt ihm nachher der Sauerstoff ja erst wieder, und zum Anderen hab' ich Halsweh und alles Mögliche bekommen."

Seriensieger

Am Ende feierte Marcel Hirscher, der im Schneetreiben den Durchblick behielt, seinen siebenten Erfolg in Val d'Isère, 1,18 Sekunden vor seinem norwegischen Dauerrivalen Henrik Kristoffersen und 1,31 Sekunden vor dem Schweden Matts Olsson. Dieser 15. Podestplatz an der Face de Bellevarde war auch sein insgesamt 127., seit er im Skiweltcup unterwegs ist. Und der 19. in Serie im Riesenslalom. Mit dem 60. Sieg fehlen dem siebenfachen Gesamtweltcupgewinner nun noch zwei Erfolge auf die österreichische Allzeitmarke von Annemarie Moser-Pröll, 22 auf Lindsey Vonn aus den USA - und 26 auf den Schweden Ingemar Stenmark. "Allerdings bin ich kein großer Freund von Statistiken, die sind für mich vielleicht später einmal interessant, wenn draußen ein Schneesturm tobt und ich drinnen am offenen Kamin mit einem Glas Rotwein sitze."

Im Gesamtweltcup liegt Hirscher ebenfalls wieder voran, 42 Punkte vor dem Kärntner Max Franz und 53 vor dem Schweizer Mauro Caviezel. "Ich hätte aber auch kein Problem damit, wenn Max Erster wäre", scherzte der bestens aufgelegt Seriensieger, "er ist jetzt am Höhepunkt seines Fahrens angelangt, er hat definitiv seinen Speed gefunden. Aber für mich ist der Gesamtweltcup jetzt nicht wichtig, die Saison hat ja jetzt erst so richtig begonnen." Und dafür, dass es derzeit so gut läuft (zwei Siege, einmal Zweiter bei drei Starts), dankte der Ausnahmekönner seinem Team. "Sie haben teilweise Nachtschichten eingelegt, da ist es nun auch an der Zeit, wieder einmal Danke zu sagen. Es gibt keinen besseren Anlass als so ein Ereignis wie heute. Es ist ein wahnsinnig guter Tag, da bleibt viel Platz zum Nachdenken. Und es ist unfassbar, wie lange ich doch gesund fahren konnte und wie mich die Leute über die Jahre begleiten."

Wie lange die Serie anhalten mag? "Es kann sich jederzeit wieder drehen", weiß Marcel Hirscher. "Der Sport ist so schnelllebig, da ist Vieles auch bald wieder vergessen, es ist nur eine Frage der Zeit, wann der Punkt kommt, an dem es nicht mehr möglich sein wird wie bisher." Und überhaupt hat der Jungvater erkannt, dass es mehr gibt als seinen Job: "Der Sport ist nicht das Wichtigste auf der Welt, es gibt mehr als rote und blaue Tore." Und es gibt auch mehr als Marcel Hirscher im Skirennlauf: Dass Mikaela Shiffrin den Super-G in St. Moritz gewonnen hat, nötigt dem Weltmeister Respekt ab. "Sie ist eine Inspiration für mich, ich hoffe, dass sie auf diesem Level weitermachen kann. Sie kann jeden Rekord brechen - ich hoffe allerdings auch für sie, dass sie nicht überzieht." Ihm selbst ist das - auf etwaige Super-G-Starts angesprochen - fremd. "Ich bin nicht in der Stimmung, um das zu trainieren, und ich hätte auch gar nicht die Zeit dafür."  

Manuel Feller, nach einem Fehler am vierten Tor immerhin im Ziel, was ihm zuletzt in Beaver Creek nicht gelungen war, sah sich bei Halbzeit an guter siebenter Stelle positioniert (+1,44). Und auch Roland Leitinger (15./+1,92) und Philipp Schörghofer (19./+2,32) bewiesen ansteigende Form. Beide konnten auch im zweiten Durchgang ihre Leistung bestätigen, auch wenn sie sich durch einige Fehler um die Früchte ihrer Arbeit brachten. So war der bald 36-jährige Salzburger Schörghofer am Ende drittbester Österreicher (20./+2,77), der 27-jährige Leitinger wurde 23. (+2,90).

"Es war eine ziemliche Herausforderung heute, auch durch die schwierigen Sichtverhältnisse", resümierte Schörghofer, "wenigstens war ich heute nicht mehr ganz so nervös wie noch in Beaver Creek, und die Sicherheit kehrt mit jedem Rennen mehr zurück." Und Leitinger erkannte, "dass ich mich jetzt mehr und mehr traue und auch meine Grenzen wieder verschieben kann. Ich bin zwar zwei Mal  kapital neben dem Kurs gestanden, aber es waren auch schon wieder einige schnelle Sachen dabei."

Probleme bereitet ihm elf Monate nach seinem Kreuzbandriss immer noch das Knie, "bei großer Belastung wie heute im ersten Lauf tut es weh. Ich hoffe, das wird bald besser." Manuel Feller der elfte Schlussrang nicht froh. "Ich bin gar nicht zufrieden", sagte der 26-jährige Fieberbrunner, "das war sicher nicht das, was ich kann." Die Suche nach den Ursachen ist für den Tiroler bislang schwierig, "denn die Vorbereitung war sehr gut. Aber mein Ausfall in Beaver Creek war sicher kein Vorteil."

Liebe Müh

Die übrigen Österreicher hatten erneut ihre liebe Müh: Johannes Strolz verpasste bei immer stärker werdendem Schneefall als 31. (+2,99) ebenso das Finale wie Dominik Raschner (35./+3,11), Magnus Walch (37./+3,25),  Stefan Brennsteiner (41./+3,31), Christian Hirschbühl (50./+3,71) und Daniel Meier (65./+5,19)..

Pech hatte Steve Missillier: Der französische Riesenslalom-Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele von Sotschi 2014 riss sich vier Tage vor seinem 34. Geburtstag während seines ersten Laufs die Achillessehne, konnte nicht mehr bremsen und knallte ins Fangnetz.

Schlechte Aussichten

Für den Slalom am Sonntag (9.30/12.30 Uhr, live ORFeins) sieht es schlecht aus: Viel Neuschnee, steigende Temperaturen und der angekündigte Sturm sind alles andere als gute Vorzeichen. Ein Novum wäre das nicht: Vor zehn Jahren wurde bei den gleichen Bedingungen abgesagt.

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