Schlierenzauer als Fotograf

Schlierenzauer als Fotograf
Das Skisprung-Ass aus Tirol wechselt kurzfristig das Metier – seine besten Bilder werden ab heute in Wien ausgestellt.

Es gibt kein Entrinnen, Widerstand zwecklos. Gregor Schlierenzauer kennt da keine Gnade. Wenn er einmal auf etwas ein Auge geworfen hat, wenn sich einmal in seinem Kopf ein Bild abgezeichnet hat, dann ist es meist schon zu spät. Dann kommt der Jäger in ihm durch und er drückt ab. Schnappschuss.

Man kennt Gregor Schlierenzauer, den Seriensieger, den extrem ehrgeizigen und oft auch überpeniblen Überflieger, vor dem kein Rekord im Skispringen sicher zu sein scheint. Der 22-Jährige Stubaier hat aber auch noch eine andere Seite. Abseits der Schanzen ist Schlierenzauer ein leidenschaftlicher Knipser, ein junger Mann auf der ständigen Suche nach Motiven und Szenerien aus seinem aufregenden Leben, die er mit seiner Kamera festhalten kann.

Abschalten

"Das Fotografieren hilft mir, mit den Gedanken vom Sport wegzukommen und total abzuschalten", sagt Schlierenzauer, der heute in der Leica-Galerie in Wien (1010, Walfischgasse 1) bereits seine zweite Foto-Ausstellung eröffnet.

Doch ganz kommt Schlierenzauer auch beim Fotografieren nicht aus seiner Haut heraus. So akribisch er beim Springen vorgeht, so detailverliebt ist er im Umgang mit seiner Kamera. "Ich neige auch da zum Perfektionismus", gesteht der 22-Jährige. Das ideale Licht, die perfekte Position, der optimale Hintergrund, "es braucht das richtige Setup", sagt Schlierenzauer. Aber vor allem braucht es zu allererst ein richtiges Motiv.

Schlierenzauer lässt sich vom Alltag inspirieren, am liebsten knipst er Szenen aus dem Leben: mal hat es ihm ein simpler Mistkübel angetan, mal richtet sich sein Fokus auf eine Rolltreppe. "Ich fotografiere das, was mich gerade anspricht", berichtet der 22-Jährige, "die Motive ändern sich aber mit meinen Stimmungen. Ich sehe die Welt nicht jeden Tag gleich."

Schlierenzauer ist längst nicht mehr der einzige Spitzensportler, der in seiner Freizeit fremd geht und den Sport links liegen lässt. Die Slowenin Tina Maze etwa, die Siegerin des Weltcup-Riesentorlaufs von Sölden, hat so eben ihre ersten Song veröffentlicht; Doppelweltmeisterin Elisabeth Görgl, die 2011 den offiziellen WM-Song performte, versucht sich als Malerin, Maria Riesch entwirft ihre eigene Modekollektion, Thomas Muster reagierte sich oft stundenlang am Schlagzeug ab.

Ablenkung

Der Beweggrund ist bei allen der gleiche: Ablenkung. "Man kann nicht 24 Stunden am Tag ans Skispringen denken. Da wird man irgendwann narrisch", weiß Schlierenzauer. So nebenbei hat er in den vergangenen Jahren zwischen seinen beiden Leidenschaften auch Parallelen ausgemacht. "Skispringen ist irgendwie auch eine hohe Kunst", sagt Schlierenzauer, "und ein gutes Foto kann man nicht planen, das muss passieren. Auch ein Sieg bei der Tournee oder bei Olympia muss passieren."

Löschen

Der Ärger, wenn ein Bild am Ende nicht seinen Vorstellungen entspricht, hält sich meist in Grenzen – im Gegensatz zum Frust nach einem verpatzten Sprung. "Ein Foto kann ich löschen und neu machen", erklärt Schlierenzauer, "aber einen schlechten Sprung kann ich nur versuchen, aus meinem Gedächtnis zu löschen."

Längst hängen bei Schlierenzauers einige Schnappschüsse in Postergröße an den Wänden. "Ich werde mir auch von dieser Ausstellung wieder einige Bilder selbst kaufen", sagt der 22-Jährige. Ein Original-Schlierenzauer kostet 600 Euro, die Einnahmen kommen via Licht ins Dunkel hilfsbedürftigen Tiroler Familien zugute.

Derweil ist Schlierenzauer schon wieder voll am Drücker. Nicht ohne meine Kamera – so lautet sein Motto. Deshalb darf die Leica-Ausrüstung auch beim Weltcup-Auftakt in Lillehammer (23. bis 25.11.) nicht fehlen.

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