Rollentausch im Ski-Weltcup: Die Österreicher sind die Gejagten
„Wenn das Kreuzband reißt, dann reißt es halt.“
Dieser launige Sager beschreibt wohl am besten das Gemüt von Stephanie Brunner. Was sich im ersten Moment äußerst fatalistisch anhören mag, ist in Wahrheit nichts anderes als eine Pfeif-mir-nix-Einstellung, die sich die Zillertalerin in den letzten Jahren angeeignet hat. Wer sich innerhalb von nur 17 Monaten drei Mal im linken Knie das Kreuzband reißt, der wird entweder mürbe und verliert das Vertrauen in das Knie und den Glauben an den Skigott.
Oder er macht’s eben wie Stephanie Brunner, die sich von den vielen schweren Verletzungen weder ihren Optimismus noch ihren Zugang zum Rennlauf hat nehmen lassen. Soll das dumme Kreuzband halt ein viertes Mal reißen – auch das wird sie kaum aus der Bahn werfen. Auch wenn Brunner nach dem dritten Kreuzbandriss im Spätsommer 2019 natürlich die Unkenrufe vernommen hat. „Viele haben gesagt: ,Die Brunner kann jetzt aufhören‘.“
Am Limit
Diese Einstellung taugt Christian Mitter ungemein. „Ihre Entwicklung ist sehr gut, sie fährt jetzt wieder am Limit“, sagt der Cheftrainer der ÖSV-Frauen vor den zwei Riesentorläufen an diesem Wochenende in Kranjska Gora (SLO), bei denen Stephanie Brunner neben Slalom-Ass Katharina Liensberger die größte heimische Hoffnungsträgerin auf eine Spitzenplatzierung ist.
Die 26-jährige Brunner hat zuletzt in Courchevel bereits mit den Rängen 7 und 6 aufsteigende Form bewiesen, und an ihrem aggressiven Fahrstil könnte man nicht erkennen, dass die schweren Verletzungen und die lange Rennpause bei der Riesentorlaufspezialistin Spuren hinterlassen hätten.
Vielmehr ist es für Brunner nur mehr eine Frage der Zeit, bis sie wieder vom Stockerl lacht. „Ich komme langsam wieder an die 100 Prozent heran. Ich bin bereit, aufs Podium zu fahren“, sagt die Zillertalerin vor dem ersten von zwei Riesentorläufen in Slowenien (11/14 Uhr).
Im Aufwind
Verglichen mit Teamkollegin Stephanie Brunner und ihren drei Knie-Operationen liest sich die Krankenakte von Marco Schwarz fast langweilig: Ein Kreuzbandriss ist für Weltcupläufer inzwischen leider schon schmerzhafte Routine. Der Kärntner hatte sich die Knieverletzung im Februar 2019 zugezogen, als er sich gerade mitten in einem Erfolgslauf befand, der ihm die ersten beiden Weltcupsiege und drei Medaillen bei der WM in Åre einbrachte.
Knapp zwei Jahre später knüpft der dreifache Goldmedaillengewinner der Olympischen Jugendspiele 2012 nun an die Performance von damals an. Der Sieg am vergangenen Sonntag im Slalom von Adelboden, sein erster in dieser Disziplin, war der Höhepunkt des rasanten Aufwärtstrends, der kurz vor Weihnachten mit dem dritten Platz im Slalom von Alta Badia seinen Anfang nahm.
„Damit ist der Druck abgefallen“, sagt der Kärntner, der in drei der bisherigen vier Saisonslaloms aufs Podium fuhr und deshalb heute beim Wengen-Ersatzrennen in Flachau (9.30/ 12.30 Uhr) auch das Trikot des Weltcupleaders ausführt.
Ohne Druck
So sehr ihn das neue offizielle Outfit ehrt, das er von seinem ÖSV-Teamkollegen Manuel Feller übernehmen durfte, so locker geht er nun mit der neuen Rolle des Gejagten um. „Das ändert überhaupt nichts an meiner Herangehensweise“, meint der 25-Jährige vor den Heimrennen in Flachau und offenbart dabei eine ähnliche Pfeif-mir-nix-Einstellung wie Mannschaftskollegin Stephanie Brunner.
„Denn ich habe immer schon gewusst, dass ich es drauf habe.“
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