Ich war damals sicher unbeschwerter, aber das heißt nicht, dass ich weniger Druck hatte. Es waren einfach andere Ziele: Vor zehn Jahren ist es vor allem darum gegangen, mich einmal im Weltcup zu etablieren, damit ich auch meinen Startplatz für die nächste Saison behalte.
Und wie ist das heute?
Die Erwartungshaltung ist jetzt eine ganz andere. Einerseits von außen, aber auch ich habe andere Ansprüche. Ich finde, dass Druck an sich nichts Schlechtes ist.
Wie geht es einem erfahrenen Läufer wie Ihnen vor der ersten Saisonabfahrt?
Ich bin grundsätzlich vor jedem Saisonstart nervös. Und das ist auch gut so. Diese Anspannung gehört einfach dazu. In Kitzbühel ist das vielleicht alles noch etwas mehr ausgeprägt als bei anderen Abfahrten. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mich diese Nervosität sogar pusht. Es darf halt nie zu viel werden, sonst geht es in die falsche Richtung.
Gröden, Bormio, Wengen, Kitzbühel – Sie haben in den letzten beiden Jahren alle Abfahrtsklassiker gewonnen. Warum hat es trotzdem nicht zum Sieg im Abfahrtsweltcup gereicht?
Mir hat dafür einfach immer die Konstanz gefehlt. Ich hatte jede Saison das eine oder andere Rennen dabei, das ich richtig verpatzt habe. Aber wenn du die Kugel holen willst, dann darfst du dir keine Fehler erlauben. Wenn man einen Aleksander Aamodt Kilde oder einen Marco Odermatt beobachtet, dann performen die auf einem hohen Level. Die sind bei jedem Rennen vorne dabei. Und das braucht es auch. Wobei die Kugel für mich jetzt nicht das primäre Ziel ist.
Sondern?
Ich möchte bei jedem Rennen das Maximum rausholen und mich vorne präsentieren. Das ist einmal vorrangig. Und nur dann kann man darüber reden, ob man am Ende der Saison auch tatsächlich um die Kugel mitkämpfen kann.
Nach zehn Jahren im Weltcup: Was macht für Sie immer noch den Reiz und die Faszination der Abfahrt aus?
Puh, das ist gar nicht so einfach zu erklären. Du hast am Start immer so die Erwartungshaltung und das Gefühl: Du willst da runter jetzt auf keinen Fall scheitern. Das löst spezielle Emotionen aus. Dazu die Geschwindigkeit, zu performen und eine gute Leistung zu zeigen, wenn man sich am Limit bewegt – das sind unglaubliche Emotionen. Genau das macht es für uns Abfahrer so speziell.
In welchen Bereichen findet ein Routinier wie Sie noch Verbesserungspotenzial?
Ich bin der Meinung, dass man in allen Belangen besser werden kann. Sei es die mentale Komponente, die bei uns Abfahrern eine wichtige Rolle spielt. Skitechnik, Materialtechnik, Kondition – wenn man überall ein, zwei Prozent rausholt, dann hat das schon einen positiven Effekt. Und das ist auch vor jeder Saison mein Ziel und Anspruch.
Sie erwecken mitunter den Eindruck, dass Sie sehr kritisch mit sich umgehen und selten einmal mit sich zufrieden sind. Täuscht das?
Ich bin sicher ein großer Kritiker meiner Person. Es ist auch wichtig, dass man sehr ehrlich mit sich umgeht und die Fehler klar anspricht. Man darf sich ja nicht selbst anlügen. Ich weiß, ich habe ein herausragendes Material und dann liegt es einfach nur an der Person Vincent Kriechmayr, ob es funktioniert oder nicht. Und wenn man keine gute Leistung zeigt, muss man sich das auch eingestehen. Umgekehrt sollte man dann auch mit sich zufrieden sein, wenn man eine gute Leistung zeigt. Man darf nicht den Fehler machen, nur kritisch mit sich umzugehen und alles schlecht zu reden.
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