Andreas Goldberger war der erste Popstar des Skispringens – und er benahm sich bisweilen auch so. Im Höhenrausch konsumierte der Oberösterreicher Kokain, fiel aus allen Wolken und wollte sogar für Jugoslawien starten. Die Österreicher haben dem "Goldi der Nation" die Eskapaden verziehen, noch heute erfreut sich der Waldzeller größter Beliebtheit. Am Dienstag wird Andreas Goldberger 50.
KURIER: Was sind Sie eigentlich von Beruf?
Andreas Goldberger: Wenn ich Formulare ausfülle, schreibe ich Selbstständig hinein. Wenn mich wer fragt, sage ich Skisprung-Pensionist.
Aber sind Sie nicht in Wahrheit von Beruf Andreas Goldberger?
Ich bin in der glücklichen Lage, dieses Leben führen zu können. Ich bin nirgends angestellt, ich arbeite als Experte für den ORF, ich veranstalte den Goldi-Talentecup, ich habe meine Werbepartner – irgendwie tu’ ich nichts, aber ich habe trotzdem jeden Tag einen Haufen zu tun.
Haben Sie jemals einen klassischen Job gemacht?
Nach meiner Karriere habe ich ein bisschen bei meinem Manager Edi Federer in der Firma mitgeholfen. Aber da ist es eher darum gegangen, dass ich kapiere, wie sich das normale Leben abspielt. Du bewegst dich ja im Sport in einer Scheinwelt. Im Grunde machst du als Sportler nicht viel mehr als Schlafen, Trainieren und Wettkämpfe bestreiten. Es wird einem alles andere abgenommen.
Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Sie immer noch so beliebt sind?
Es hat vermutlich schon auch mit meinem Naturell zu tun. Ich bin ein lebensfroher, lebensbejahender Mensch. Man wird mich ganz selten einmal grantig erleben. Vielleicht ist das in einer Zeit wie jetzt noch wichtiger als sonst.
Ist es jetzt mit 50 nicht höchste Zeit, das aus "Goldi" Andreas Goldberger wird?
Herr Goldberger höre ich gar nicht gerne. Ich mag auch nicht, wenn jemand Andreas sagt. Es gab einmal eine Zeit, wo mich das Goldi ein bisschen gestört hat. Aber der Name gehört einfach zu mir. Insofern habe ich kein Problem, wenn man mich Goldi nennt. Ich bin trotzdem erwachsen.
Viele sagen, man sieht Ihnen Ihr Alter nicht an.
Dafür kann ich aber wenig. Ich habe die Gene von meiner Mama. Die wird 80, und man sieht es ihr nicht an.
Heute ist es ja ein Kompliment, jünger als 50 auszusehen. Aber wie ist es Ihnen früher ergangen? Ganz ehrlich: Mit 18 war das keine Gaudi. Ich musste immer einen Ausweis dabei haben, weil sie mich sonst nirgends reingelassen hätten.
Themenwechsel: Wie sehr hat das Skispringen Sie und Ihr Leben geprägt?
Extrem. Wenn ich nicht Skispringer geworden wäre, würden wir dieses Interview jetzt nicht führen. Der Spitzensport war meine Lebensschule. Ich habe sehr viel erlebt und sehr viel mehr gelernt, vor allem aus Niederlagen und Fehlern.
Ich kann da heute ganz offen darüber reden. Ich hätte mir das Ganze gerne erspart, aber diese Geschichte gehört nun einmal zu meinem Leben dazu. Ich war ganz oben, und dann hat mich diese Sache komplett runtergezogen. Heute würde mir das nicht mehr passieren.
Wie sind Sie damals in diese Sache hineingeraten?
Du bist 25, der beste Skispringer der Welt, du bist auf Wolke sieben. Und dann sagt wer zu dir, du bist ein Feigling, wenn du nicht mitmachst. Das war so eine blöde Aktion. Mir war nicht klar, dass man sich mit so einer Scheißsache das Leben ruinieren kann. Ich hatte das Glück, dass mich viele brutal unterstützt haben.
Sie sind einer der erfolgreichsten Skispringer, waren aber nie Olympiasieger und Weltmeister.
Ich würde sofort eine der Weltcupkugeln gegen Olympia-Gold tauschen. Sportlich sind ein Gesamtweltcupsieg oder ein Tourneesieg viel höher einzuschätzen als zum Beispiel ein WM-Titel. Und mir persönlich war der Skiflug-Weltrekord sehr wichtig. Aber ich wäre trotzdem gerne Olympiasieger geworden.
Andererseits waren Sie seinerzeit der Wegbereiter und das Gesicht eines Skisprungbooms, der bis heute anhält.
Ich glaube schon, dass ich damals etwas ausgelöst habe. Erst kam der V-Stil, dann ich, dann sind die beiden Deutschen Martin Schmitt und Sven Hannawald aufgetaucht und RTL hat übertragen. Es war unglaublich, wie es damals bei der Tournee oder am Kulm zugegangen ist.
Was war früher besser?
Es geht jetzt einfach um zu viel. Preisgeld, Sponsoren, Prämien. Wir sind damals gesprungen, weil wir eine Gaudi haben wollten. Das Skispringen ist sicher ernster, verbissener und professioneller geworden. Das ist grundsätzlich nichts Schlechtes, früher war halt alles noch entspannter.
Man hat schon seit längerer Zeit keinen Kamerasprung mehr von Ihnen gesehen.
Der Doktor hat mir geraten, dass ich mich altersgerecht bewege – und da gehört halt Skispringen nicht dazu. Abgeschrieben habe ich es aber noch nicht. Mein Material liegt sprungbereit daheim.
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