Mandl: "Mir ist nie etwas zu Ohren gekommen"
Herbert Mandl war erstaunt und entsetzt gleichermaßen, als er die Vorwürfe von Nicola Werdenigg vernahm. Seit die ehemalige Weltcupläuferin im Standard von regelmäßigen sexuellen Übergriffen und Nötigungen berichtet hatte, die sich zu ihrer aktiven Zeit in den 1970er-Jahren zugetragen hatten, ist die Tirolerin eine gefragte Interview-Partnerin. In der ZiB-2 hatte Werdenigg nun den ÖSV ins Visier genommen. "Ich kenne einen Fall aus dem Jahr 2005, der an die Mannschaftsführung herangetragen wurde. Das hätte Schröcksnadel wissen müssen."
Das hätte vor allem aber Herbert Mandl wissen müssen, der zu dieser Zeit Chefcoach der österreichischen Ski-Damen war. "Mir ist in meiner gesamten Amtszeit nie etwas zu Ohren gekommen, dass es sexuelle Übergriffe gegeben hätte. Und ich war elf Jahre Cheftrainer und dazu noch etliche Jahre im Europacup für die Damen verantwortlich", versichert Mandl gegenüber dem KURIER. "Wenn sie nicht mit konkreten Namen herausrückt, dann ist es unfair, den Skiverband so zu kritisieren."
Ein Pantscherl
Trotzdem will man beim ÖSV nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen. "Ich nehme die Aussagen von Frau Werdenigg-Spieß sehr ernst, denn sollte es tatsächlich Vorfälle gegeben haben von denen der Verband nichts erfahren hat, dann möchte ich dies geklärt wissen", versichert ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel. "In unserer Größenordnung – 450 Aktive und rund 200 Trainer und Betreuer – kann man grundsätzlich nichts von vornherein ausschließen."
In der Verbandszentrale in Innsbruck, in der am Donnerstag mehrere Mitarbeiter damit beschäftigt waren, die Vergangenheit und den Vorwurf aufzuarbeiten, glaubt man ohnehin zu wissen, worauf Werdenigg im ZiB-2-Interview anspielte. Auf einen Fall, der im Jahr 2005 intern durchaus für Diskussion gesorgt hatte, aber in keiner Weise vergleichbar ist mit den Torturen, wie sie Werdenigg erlebt hatte.
Vielmehr ging es seinerzeit um eines dieser "Pantscherln", wie ÖSV-Boss Peter Schröcksnadel die engeren Beziehungen zwischen Trainern und Läuferinnen gerne flapsig nennt. 2005 gab es eine junge Weltcupläuferin, die eine Liaison mit einem führenden Betreuer hatte. Die Rennläufer- und Trainerkollegen wussten darüber Bescheid, ebenso die Skijournalisten.
Als Peter Schröcksnadel davon erfuhr, zog er die Konsequenzen und versetzte den Trainer kurzerhand in den Europacup.
Eine der Rennläuferinnen in der Ära von Herbert Mandl als Damen-Cheftrainer im ÖSV war Brigitte Obermoser. Von der APA kontaktiert sagte die Salzburgerin am Donnerstag: "Ich habe von so etwas nichts gewusst, mir ist auch kein Fall bekannt. Ich kann mir nicht vorstellen, wer das sein hätte können."
Die heute 41-jährige Obermoser ist mehrfache WM- und Olympiateilnehmerin und hat 2007 nach über 20 Jahren im Alpinski-Weltcup ihre Karriere beendet. Die Ex-Rennläuferin ist zweifache Mutter und betreibt in Radstadt ein Fitnessstudio.
"Ich war von Nicola Werdeniggs Aussage total überrascht und dass sie diese Jahreszahl nennt", sagte Obermoser weiters, räumte aber auch ein: "Oft geht sowas ja im stillen Kämmerlein über die Bühne und das erfragt dann eben keiner."
Die Salzburgerin hält das aktuelle Thema sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen prinzipiell aber für enorm wichtig. "Das ist es definitiv. Es gibt deshalb ja auch schon spezielle Organisationen. Trainer zu sein ist nun mal eine Männerdomäne, bei uns im Skisport sowieso", führte die Gewinnerin von drei Weltcuprennen weiters aus.
Sie halte Aufklärung in diese Richtung deshalb für ratsam. "Es ist wichtig, dass das behandelt wird. Damit Aufklärung stattfindet und man in Zukunft weiß, dass man eine Anlaufstelle hat, sollte etwas passieren oder man sich angegriffen fühlen oder sogar körperlich angegriffen worden sein. Das ist ja das Allerschlimmste eigentlich."
Aufklärungsarbeit
Obermoser findet es deshalb gut, dass der Skiverband schon vor Jahren mit der Frauen-Beauftragten Petra Kronberger und nun auch mit der Beistellung von Roswitha Stadlober reagiert hat. "Sie sollten Aufklärungsarbeit leisten und für die Leute da sein, die sich melden können, wenn etwas passiert sein sollte."
Die Salzburgerin hält es aber für ebenfalls ganz wichtig, dass es für Betroffene die Möglichkeit gibt, auch zu größeren Anlaufstellen gehen zu können. "Da gibt es Institutionen in Österreich, die auch Psychologen und ganzes anderes Know-how dahinter haben und wo man professionell betreut wird."
Nicht nur, aber doch auch speziell im Skirennsport sei der Umgang miteinander wichtig, betonte Obermoser. "Es ist wichtig zu wissen, so geht man nicht mehr miteinander um. Man hat einfach Respekt auch gegenüber Athletinnen zu zeigen und darf das nicht in einem Atemzug mit einer Aufstellung oder einer Wertschätzung gegenüber der Athletin, so nach dem Motto, du bist mehr wert als jemand anderer, tun. Es darf nicht sein, dass man zum Beispiel über Einsätze Macht ausübt."
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