Bangen um die Rennen
„Die Sorge ist groß, dass uns das Rennwochenende genommen wird“, sagt Bürgermeister Klaus Winkler. Und selbst wenn das nicht der Fall ist, wäre er nicht sorgenfrei: „Wir hoffen wirklich, dass keine Leute kommen. Wenn wir nur zwei singende Fans mit Bierflaschen und Fahnen in der Hand haben, gibt es erst recht imageschädigende Bilder“, fürchtet Winkler.
Etwaige Zaungäste sollen mit Polizeipatrouillen und großräumigen Absperrungen um die Piste von den Rennen ferngehalten werden, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden müssen. Und das in Kitzbühel, das mit der Zauberformel „Promis, Partys, Pistenaction“ zum Zuschauermagneten für jährlich Zehntausende Skisport-Begeisterte wurde.
Die Schweizer mit den Kuhglocken
Signe Reisch wird sie vermissen, „die Schweizer mit ihren Kuhglocken, die Fans mit ihren Transparenten“, wie die Chefin des Rasmushofs sagt. Ihr Fünf-Stern-Hotel steht im Zielgelände der Streif, das ihrer Familie gehört.
Wo sonst bereits an den Zuschauertribünen geschraubt werden würde, herrscht gähnende Leere. Für das riesige VIP-Zelt gibt es heuer ebenfalls keinen Bedarf. „Die Woche der Hahnenkamm-Rennen war immer die fünfte Jahreszeit. Jetzt ist es die stille Jahreszeit geworden“, sagt Reisch.
Zurück zu den Wurzeln
Dass das ganz schrille Drumherum wegfällt, sieht Reisch nicht nur negativ: „Für uns Kitzbüheler und den Skiclub mit seinen Hunderten Freiwilligen stand immer der Sport im Vordergrund. Es ist back to the roots.“ Zurück zu den Wurzeln hieß es für die Hotel-Grande-Dame zuletzt auch im Lockdown. „Wir haben für Geschäftsreisende – etwa Handwerker oder Architekten – offen gelassen. Für sie habe ich mit einem Lehrling gekocht“, erzählt die Kitzbühelerin, die mit 16 Jahren in der Küche ihre Tourismuskarriere gestartet hat.
Seither war nie Zeit, um ein ganzes Rennen mitzuverfolgen. „Dieses Mal werde ich auf dem Balkon stehen und es mir anschauen – mit Wehmut“, sagt Reisch. Die Zimmer, in denen sonst Promis wie Bernie Ecclestone den Blick genießen, bleiben leer.
Die VIPs müssen dem Speed-Spektakel heuer genauso fernbleiben wie jeder andere Ski-Fan. Der Stanglwirt in Going hatte seine berühmte Weißwurstparty – Fixpunkt im Hahnenkamm-Promi-Schaulaufen – bereits im September abgesagt. Juniorchefin Maria Hauser steht allein in der großen Halle, in der sich am Freitag die Gäste um einen riesigen Kessel zum Essenfassen gedrängt hätten. Das Luxushotel ist im Ruhemodus. Da bleibt Zeit für Dinge, die sonst unmöglich sind: „Wir werden uns die Rennen heuer als Familie im Fernsehen anschauen und Weißwurst essen“, sagt Hauser.
An der Bar haben Mitarbeiter vor dem Lockdown den Kult-Satz von Stammgast Arnold Schwarzenegger auf einer Tafel hinterlassen: „I’ll be back.“ Die Unternehmerin blickt ebenfalls „grundoptimistisch“ in die Zukunft, sagt sie und hofft, dass die Zwangspause für den Tourismus in Tirol zu einem Umdenken führt: „Das ist eine riesige Chance, dass es mehr Richtung Qualität statt Quantität geht.“
Neuausrichtung
Das Image des Landes hat unter dem Covid-Ausbruch in Ischgl gelitten. Mit dem Cluster in Jochberg und den daraus resultierenden Renn-Absagen kam auch Kitzbühel in die Schlagzeilen. „Jetzt haben wir die Misere“, sagt Rasmushof-Chefin Reisch.
Die Aussichten sind auch so trübe. „Die Saison ist wahrscheinlich gelaufen“, glaubt Michael Keuschnigg vom Restaurant First Lobster in Kitzbühel, wo in einer normalen Saison 4.000 bis 5.000 Hummer serviert werden. Dass die Gäste nach all den Debatten ausbleiben, fürchtet er nicht: „Ich glaube schon, dass die Leute wieder kommen.“
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