Hahnenkamm-Rennen: „Es braucht die Bühne rundherum“
Nach zwei Corona-Wintern geht’s wieder rund in Kitzbühel. Mirjam Hummel-Ortner und Philipp Radel sind die Geschäftsführer der Agentur WWP, die neben anderen Marken und Teams auch die Hahnenkammrennen vermarktet.
KURIER: Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf die Hahnenkammrennen und den Skisport?
Radel: Der Skisport ist relativ gut durch die Pandemie gekommen. Das liegt auch daran, dass er ein gutes TV-Produkt ist. Mittelfristig brauchst du aber Zuschauer vor Ort. Gerade bei den Hahnenkamm-Rennen macht das den Zauber und die Faszination aus. Kitzbühel ist zwar auch ohne Zuschauer das wichtigste und spektakulärste Skirennen des Jahres, aber es braucht diese Bühne rundherum.
Hummel-Ortner: Kitzbühel bringt alles mit, da stimmen die Bausteine, und dann konnten die Hahnenkamm-Rennen über Jahrzehnte zu dem werden, was sie heute sind. Ein Leuchtturmprojekt.
Von welchen Bausteinen sprechen Sie? Hummel-Ortner: Da sind vor allem einmal die Streif und der Ganslernhang selbst und die sportlichen Höchstleistungen, die darauf stattfinden. Wenn es die Strecke nicht in dieser Form gäbe, dann würde das schon einmal nicht so gut funktionieren. Alles, was wir hier beitragen können ist, die Bühne zu bereiten, dass der Sport und die Athleten voll zelebriert werden können.
Radel: Dann hast du Kitzbühel als Stadt mit der Nähe zu mehreren Flughäfen und zu München. Du hast die Hotellerie im High-End-Bereich. Harti Weirather hatte als ehemaliger Abfahrtssieger von Kitzbühel schon früh die Vision, den Weitblick und vor allem die Leidenschaft, hier langfristig etwas aufzubauen. Und auch wenn der Skisport kein Weltsport ist, die Hahnenkamm-Rennen haben eine Strahlkraft und sind als Marke extrem spannend.
Kitzbühel wird immer wieder das Monte Carlo des Skisports genannt. Radel: Die Grundidee ist ja auch aus Monaco abgeschaut. Dort ist beim Formel-1-Grand-Prix auch alles, was Rang und Namen hat.
Aber du triffst sie nur auf den Yachten oder wenn du zu den privaten Partys eingeladen bist. Wir haben das umgedreht, bei uns spielt sich alles im Kitz Race-Club ab, das ist eine große Begegnungszone. Ich weiß nicht, wie viele Geschäfte in Hunderten Millionen Euro sich bei uns angebahnt haben bzw. abgeschlossen wurden. Wir werden oft gefragt: Könnt ihr nicht wo anders ein zweites Hahnenkamm-Rennen machen?
Was antworten Sie dann? Radel: Wir lehnen immer dankend ab und sagen: Das funktioniert nicht. Die Hahnenkamm-Rennen sind einzigartig. Die kann man nicht einfach transferieren.
Hummel-Ortner: Es geht in erster Linie um Authentizität. Das ist heute in allen Bereichen ein Kernthema. Hier in Kitzbühel ist alles langfristig gedacht und über viele Jahre aufgebaut worden. Diese Zeit nimmt sich heute kein Veranstalter mehr, um ein Event zu entwickeln. Aber wenn man eine Vision hat, darf der kurzfristige Gewinn nicht im Vordergrund stehen.
Radel: Schon gar nicht in einer Nischensportart wie Skifahren. Deshalb halte ich zum Beispiel auch nichts von den China-Bestrebungen. Diese Fantasie, dass man in China ein Prozent der Bevölkerung zum Wintersport bringt, habe ich nicht. Daran glaube ich nicht. Skisport ist nun einmal ein Nischensport – aber ein wunderbarer Nischensport.
Aber immer weniger junge Menschen lassen sich für den Skisport begeistern. Radel: Das ist eine große Herausforderung, der wir uns bei den Hahnenkammrennen auch stellen. Wir haben eine Marktforschung laufen lassen und dabei ist herausgekommen: In Deutschland und Österreich kennen immer weniger der 15- bis 25-Jährigen die Hahnenkamm-Rennen. Das bedeutet: Wir sind wirklich angehalten, die junge Generation zu den Rennen zu bringen, ihnen die Faszination zu erklären und nachhaltige Begeisterung zu schaffen.
Wie kann das funktionieren? Hummel-Ortner: Für diese Zielgruppe braucht es eine komplett andere Kommunikation. Tiktok, Instagram, über diese Kanäle muss man diese Generation ansprechen. Anders erreicht man sie nicht. Aus diesen Überlegungen ist Beyond Kitz entstanden, unser neuer Bereich für die Jungen.
Radel: Wir wollten Erlebniswelten für junge Menschen schaffen und ihnen den Sport näherbringen. Wir sind der Überzeugung: Wenn einmal die Begeisterung geweckt ist, bleiben sie als Fan erhalten.
Die Formel 1 hat mit der Netflix-Serie „Drive to survive“ viele junge Anhänger gewonnen. Bräuchte das der Skisport auch?
Radel: Das sind mit Sicherheit gute Modelle, um dem Sport wieder eine neue Breite zu geben. Wir wissen es aus der Formel 1, dass durch die Netflix-Serie plötzlich zahlreiche junge Mädchen begonnen haben, sich für die Rennen zu begeistern.
Hummel-Ortner: Wenn du die entsprechenden Protagonisten, Charaktere und auch die Hintergrundgeschichten hast, dann funktioniert das. So eine Art Blick hinter die Kulissen des Sports. Sportler sind ja heute schon eine eigene Medienplattform und haben irrsinnige Reichweiten – zum Beispiel Cristiano Ronaldo mit über 500 Millionen Followern auf Instagram. Auch da sind wir wieder beim Thema Authentizität. Die Leute haben ein gutes Gespür dafür, ob jemand wirklich glaubhaft ist. Wenn das anders rüberkommt, sind alle Initiativen vergebene Liebesmüh.
Radel: Und trotzdem dürfen wir beim Streben, junge Leute für den Skisport zu begeistern eines nicht vergessen.
Nämlich?
Radel: Man muss aufpassen, dass man dabei nicht altersdiskriminierend wird. Denn wer hat die Kohle? Natürlich buhlen wir um die jungen Menschen als zukünftige Gäste. Aber die Kaufkraft liegt woanders. In Deutschland ist der durchschnittliche Käufer eines Neuwagens über 50. Also müssen wir versuchen, beide Welten zusammen zu bringen. Ja, die Jungen konsumieren Medien anders, die muss man mit kurzen Clips ansprechen. Aber wir sind dankbar, dass wir mit den Hahnenkamm-Rennen auf dem öffentlich-rechtlichen Sender laufen. Wir haben 30 Millionen Live-Zuseher und erreichen 200 Millionen Leute. Nur ein Vergleich: Das NBA-Finale hatte in den USA auf Pay-TV 18 Millionen.
Die Gründer:
Harti Weirather wurde 1982 Abfahrtsweltmeister und gewann auch in Kitzbühel. Seine Frau Hanni Wenzel gewann 1980 zwei Olympia-Goldmedaillen. 1987 gründeten sie mit Burkhard Hummel die Sportmarketing-Agentur WWP (Weirather-Wenzel-Partner)
85 Mitarbeiter von WWP sind aktuell bei den Hahnenkammrennen im Einsatz. Die Agentur hat Standorte in Österreich, Liechtenstein und Deutschland.
Viele Sportarten und -events laufen nicht mehr im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Wären die Hahnenkammrennen etwas fürs Pay-TV?
Radel: Da wäre ich sehr vorsichtig. Wenn eine Nischensportart hinter einer Bezahlschranke verschwindet, dann ist es eine große Gefahr, dass du noch weniger Fans hast. Ganz abgesehen davon, dass das für die Sponsoren nicht interessant ist.
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