Gottwald über Hirschers Comeback: "Vielen fehlt der Mut dazu"
Es war die Sensationsmeldung der Woche: Marcel Hirscher kehrt nach fünfjähriger Pause zurück. Was hat ihn dazu bewogen? Was kommt auf ihn zu? Was geht in einem Sportler vor?
Felix Gottwald hat das alles selbst mitgemacht. Der Nordische Kombinierer hatte 2007 die Karriere beendet. Zweieinhalb Jahre später sprang er wieder über Schanzen und lief in der Loipe – und wurde noch einmal Olympiasieger und Weltmeister.
KURIER: Können Sie den Entschluss von Marcel Hirscher nachvollziehen?
Felix Gottwald: Wenn sich das Herz meldet, dann muss man dem Herzen auch folgen. Ich kann nur von mir sprechen: Ich hatte nach 2007 mit dem Spitzensport komplett abgeschlossen, habe aber wie auch Hirscher trotzdem immer weitertrainiert. Nur halt nicht als Leistungssportler. Und auf einmal war der Gedanke da.
Welcher Gedanke?
Bei der WM 2009 in Liberec hat der Amerikaner Todd Lodwick Gold gewonnen, der hat davor drei Jahre Pause gemacht. Ich war damals als ORF-Kommentator dabei und habe mir gedacht: Wie wäre das eigentlich? Und dann habe ich mir einen kleinen Trainingsplan auferlegt und festgestellt, dass es immer lässiger wird. Irgendwann habe ich dann den Entschluss gefasst: Na gut, dann machen wir es eben.
Wie war die Entscheidungsfindung?
Ich habe am Anfang versucht, alles mit dem Verstand zu lösen. Aber das war unmöglich. Der Verstand hat so viele Argumente dafür und dagegen, dass man auf keinen grünen Zweig kommt. Das Herz hat dann eine klare Sprache gesprochen, aber mit einer klaren Voraussetzung.
Welche Voraussetzung?
Dass das Umfeld dann genau so ist, wie ich es mir vorstelle. Das wird bei Marcel Hirscher ähnlich sein. Wenn du so ein Projekt startest, ich habe es ganz bewusst mein Genussprojekt genannt, dann willst und musst du das nach deinen Vorstellungen machen. Denn wenn du dich dabei nicht wohlfühlst, dann wird das nicht funktionieren. Ich wollte damals noch zwei extrem wertvolle Jahre Spitzensport haben. Und das ist dann eine einmalige Chance.
Aber Marcel Hirscher war dann doch fünf Jahre weg.
Das ist dann schon eine lange Zeit. Andererseits war Marcel Hirscher ja nie wirklich ganz weg. Er hat seine Ski gebaut und getestet und ist praktisch die ganze Zeit gefahren, weil er das Skifahren eben liebt. Und jetzt ist er halt draufgekommen, dass er das wieder richtig im Rennmodus machen will. Man kann Marcel Hirscher nur wünschen, dass er sich ausleben kann und dass er gesund bleibt. Und eines ist auch klar.
Was denn?
Man kann schon davon ausgehen, dass dieses Projekt durchdacht ist und sich Marcel Hirscher das alles gut überlegt hat. Er ist voll im Saft, und der spürt das schon, ob er bereit ist und was er zu leisten imstande ist. Sonst würde er es sicher nicht machen. Außerdem ist es für ihn eine gute Möglichkeit, seine Ski auch einmal unter Wettkampfbedingungen zu testen.
Ist die Fallhöhe für einen Skihelden wie Hirscher nicht eine große? Wie war das bei Ihnen: Haben Sie bei Ihrem Comeback einen großen Druck verspürt?
Das sind die klassischen Argumente, die der Verstand daherbringt. Dass du nur verlieren kannst und blablabla. In Wahrheit musst du nur den Druck bewältigen, den du dir selbst machst. Glauben Sie mir, wegen der Bilanz habe ich es damals nicht gemacht. Das wird auch bei Marcel Hirscher so sein, da geht es nicht darum, ob ein Sieg dazu kommt, oder nicht. Er folgt einfach wie ich einem Herzensruf – und das ist schön und spannend zu sehen.
Manche Comebacks sind ja auch schon aus Langeweile oder materiellen Beweggründen passiert.
Wenn es einen finanziellen Beweggrund gibt, dann gäbe es bestimmt einfachere Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Geld ist im Sport selten eine gute Triebfeder.
Abschließend: Kann man das Wettkämpfen in fünf Jahren verlernen?
Ich glaube nicht, das ist in einem drinnen. Und Marcel Hirscher weiß ja durch seine Skitesterei ziemlich gut, wo er umgeht. Man braucht sich keine Sorgen machen. Ich finde, es ist ein ein Geschenk, dass man Marcel Hirscher bei seinem Comeback beobachten kann. Es gibt wieder was Faszinierendes zum Schauen, zum Reden und zum Schreiben. Grundsätzlich ist es eine mutige Entscheidung. Vielen fehlt der Mut dazu.
Es gab ja auch kritische Stimmen, weil Hirscher für die Niederlande startet.
Dieser Nationenwechsel ist in meinen Augen nichts anderes als die Vorstufe zu Firmenteams. Und was die anderen denken, ist komplett wurscht, wenn Marcel Hirscher selbst eine Freude am Skifahren hat.
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