Eishockey-Talent Marco Rossi: "Mein Traum ist der Stanley Cup"
Schon früh im Leben von Marco Rossi war klar, wo die Reise hingehen soll. Jetzt, verglichen mit einem Marathon, sind es nur noch ein paar Meter bis zur National Hockey League. Der 18-jährige Feldkircher gilt als eines der größten Talente des Jahrgangs 2001 und wird beim NHL-Draft Ende Juni dementsprechend begehrt sein. Bei der alljährlichen Veranstaltung sichern sich die 31 Teams in der besten Liga der Welt die Rechte an den Talenten.
Marco, der Sohn des ehemaligen Feldkirch-Profis Michael Rossi, absolviert seine zweite Saison in der kanadischen Juniorenliga Ontario Hockey League und ist bei Ottawa nach 37 Partien mit 28 Toren und 53 Assists einer der Topscorer der Liga. Im Interview spricht er über seinen Ehrgeiz, über 475.000 Kilometer im Auto und über arme Pferde in seiner Kindheit.
KURIER: Sie spielen eine sehr starke Saison bei den Ottawa 67’s. Wie sehr ist der NHL-Draft schon im Hinterkopf?
Modus
Bei der zweitägigen Veranstaltung am 25. und 26. Juni 2020 in Montreal sichern sich die 31 Teams die Rechte an den verfügbaren Amateur- und Jugendspielern. In der Reihenfolge der schlechtesten Teams der abgelaufenen Saison dürfen sie pro Runde einen Spieler ziehen. Meistens werden die gedrafteten Spieler vor Saisonbeginn zu Trainingscamps eingeladen. Dort entscheidet sich, ob sie ins NHL-Team kommen.
Geld
Auch die Einstiegsverträge sind reglementiert: 18- bis 21-Jährige bekommen einen Dreijahresvertrag mit einem maximalen Salär von 925.000 Dollar (833.000 Euro) brutto. Spieler, die früh in der ersten Runde gedraftet werden, können sich noch einen guten Bonus ausverhandeln.
Marco Rossi: Im Hinterkopf ist das auf jeden Fall. Aber ich konzentriere mich nicht darauf. Ich schaue, dass ich jeden Tag besser werde und an meinen Schwächen arbeite. Nur weil man gedraftet wird, heißt es noch lange nicht, dass man in der NHL spielt. Es ist dann noch ein langer Weg.
Warum läuft es heuer bei Ottawa so gut?
Ich würde sagen , dass mir das erste Jahr sehr geholfen hat. Da war alles neu für mich. Die kleinere Eisfläche, das Leben in Kanada. Ich habe nicht genau gewusst, was mich erwarten wird. Jetzt kenne ich alle Abläufe.
Können Sie sich einem Nicht-Eishockey-Fachmann ein wenig vorstellen? Welche Stärken und Träume haben Sie?
Meine Stärke ist, das Spiel zu machen. Ich habe einen extrem hohen Hockey-IQ (Spielverständnis, Anm.), und ich spiele defensiv und offensiv gut. Mein Traum ist natürlich die NHL.
Spätestens mit dem Wechsel nach Zürich im Alter von 13 Jahren standen Sie ständig unter Druck, Leistung bringen zu müssen. Wie gehen Sie damit um?
Druck habe ich immer schon gehabt. Ich schaue in solchen Phasen, dass ich ganz ruhig bleibe und das Beste gebe. Ich selber mache mir keinen Druck. Alles andere blende ich aus.
In den vier Jahren im Zürcher Nachwuchs sind Sie mit ihrem Vater 475.000 Kilometer im Auto gependelt. Was macht man da im Auto?
Für mich war das mit meinem Papa eine sehr schöne Reise. Wir sind um sechs Uhr aufgestanden. Mein Papa ist zur Arbeit und ich zur Schule. Um 16 Uhr sind wir dann nach Zürich gefahren. Auf der Fahrt habe ich meistens die Hausaufgaben gemacht, oder wir haben geredet. Nach dem Training war ich zirka um 21 bis 22 Uhr fertig, und dann sind wir gegen Mitternacht zu Hause gewesen. Oft habe ich dann noch für die Schule gelernt. Es war eine extrem harte Zeit. Ich bin meinem Papa und meiner ganzen Familie extrem dankbar, dass wir das durchgezogen haben.
Sie waren in Ihrer Jugend bereit, sehr viel zu investieren.
Sehr viel, ja. Ich musste oft im Auto schlafen, weil die Nächte kurz waren. Aber für meinen Papa war es noch viel schwieriger.
Wie war dann die Umstellung mit 17 Jahren in Kanada? Hatten Sie Heimweh?
Meine Familie habe ich natürlich vermisst. Aber ich bin extrem glücklich, dass sie mich oft besuchen. Das hat mir extrem viel geholfen. Das Leben, das Essen ist alles anders als zu Hause. Es ist extrem kalt hier in Ottawa. Und alle sind eishockeyverrückt.
Das gefällt Ihnen doch sicher, oder?
Um ehrlich zu sein, ist es fast schon zu viel. In meiner Freizeit schalte ich komplett ab. Meine Gastfamilie spricht auch 24 Stunden am Tag über Eishockey.
Was machen Sie, wenn Sie nicht spielen?
Wir haben in der Woche an sechs Tagen Training oder ein Spiel und einen freien Tag. Diesen genieße ich richtig und schlafe bis zehn oder elf Uhr aus. Dann gehe ich essen, am Nachmittag treffe ich mich meist mit Kollegen.
Sie haben eine sehr gute Stocktechnik. Da ist in Ihrer Kindheit vor der Garage sicher einiges kaputtgegangen, oder?
Ja, sehr viel. Ich habe schon extrem früh damit begonnen, vor der Haustür mit dem Puck zu spielen. Ich hatte ein Eishockey-Tor, und dahinter war ein Feld. Aber allmählich ist mein Schuss immer besser geworden, und dann habe ich mit sechs Jahren schon so geschossen, dass der Puck über das Tor geflogen ist. Dann habe ich sehr zum Ärger des Bauern die Pferde abgeschossen.
Es gibt laufend Gespräche mit NHL-Scouts. Wie laufen solche Treffen ab?
Die Scouts reden zuerst mit unserem Trainer. Der Verein macht dann einen Termin aus. Die Scouts kommen nach einem Spiel, und es wird 30 bis 40 Minuten geredet. Sie wollen dich besser kennenlernen. Sie fragen, wo man aufgewachsen ist, was die Familie macht – alles, was man sich vorstellen kann.
Zukunft
Neben Marco Rossi haben 2020 auch Thimo Nickl (Quebec Junior Hockey League) und Benjamin Baumgartner (HC Davos) die Chance, gedraftet zu werden. Nickl (18) ist ein 1,87 Meter groß gewachsener Verteidiger, der aus dem KAC-Nachwuchs kommt. Baumgartner (19) spielt seit sieben Jahren in der Schweiz und überzeugt aktuell in seiner zweiten Profi-Saison.
Vergangenheit, Gegenwart
Die letzten Österreicher im NHL-Draft waren Michael Grabner und Andreas Nödl 2006. Insgesamt kamen mit Reinhard Divis, Christoph Brandner, Thomas Pöck, Thomas Vanek, Michael Grabner und Andreas Nödl sechs Österreicher zu NHL-Einsätzen. Vanek absolvierte von 2005 bis 2019 1.098 NHL-Partien, im Sommer bekam der 36-Jährige keinen Vertrag mehr.
Gibt es Tendenzen, wohin es gehen könnte?
Nein, überhaupt nicht.
In der NHL gibt es sehr viele Regeln für Teams und Spieler. So darf ein 18-jähriger gedrafteter Spieler bis zu neun Spiele im NHL-Team eingesetzt werden, ohne dass sein Vertrag zu laufen beginnt. Das Team kann einen jungen Spieler dann wieder in die Nachwuchsliga schicken. Machen Sie sich über so etwas Gedanken?
Nein. Im Endeffekt willst du natürlich die vollen 80 Spiele in der NHL spielen. Aber wenn der Klub die Entscheidung trifft, musst du damit umgehen. Das macht dich nur noch besser, weil du dann weißt, dass du noch härter trainieren musst.
Ihr Vater war selbst Eishockey-Profi bei Feldkirch. Wie wichtig war das in Ihrer bisherigen Laufbahn?
Extrem wichtig. Er hat mir immer geholfen, seit ich mit dem Eishockeyspielen begonnen habe. Ich war schon früh gut, und er wollte mir immer zeigen, dass es noch viele andere gute Spieler gibt. Wir sind nach Schweden und Finnland zu Camps geflogen. Da war ich acht Jahre alt. Ab zehn Jahren habe ich in der Schweiz für Rheintal gespielt. Mit 13 ging es nach Zürich. Das war für meine Entwicklung noch besser. Vor zwei Jahren ist dann die Entscheidung gefallen, dass ich nach Kanada gehe. Mein Papa wollte, dass ich noch ein Jahr in Zürich bleibe, aber ich wollte es unbedingt.
Sie werden oft als Getriebener beschrieben. Wann ist Marco Rossi zufrieden?
Das sagen wirklich viele Leute. Auch meine Mitspieler. Ich bin schon auch zufrieden mit mir, aber ich weiß, dass es immer noch besser geht. Ich will jeden Tag besser werden. Am Ende des Tages bin ich schon mal stolz auf mich. Aber ich weiß, am Morgen geht es wieder bei null los.
Was soll einmal in der wichtigsten Schlagzeile Ihrer Karriere stehen?
Dass ich den Stanley Cup gewonnen habe.
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