Eishockey-Play-off: Wo die Helden Schmerzen erleiden

Symbolfoto
Die letzten Sekunden auf der Uhr laufen hinunter, an der blauen Linie zieht ein Spieler voll auf und feuert den Puck Richtung Tor. Heroisch wirft sich ein Gegenspieler in die Schussbahn, verhindert den Ausgleich und ermöglicht seiner Mannschaft den Sieg. Szenen wie diese sind im Eishockey ganz normal. Geblockte Schüsse sind in der Sportart ähnlich wichtig wie Tore und werden auch in Statistiken geführt.
Dass die 170 Gramm schwere Hartgummischeibe bei Geschwindigkeiten von mehr 100 Stundenkilometern Spuren an den Körpern der Spieler hinterlässt, ist eine logische Folge. Mit Glück wird ein Körperteil getroffen, der geschützt ist. Mit Pech geht der Puck ins Gesicht. Österreichs Verteidiger-Legende Martin Ulrich sprang einst bei Düsseldorf über die Bande und genau in den Puck hinein. Aus seinem Mund kullerten acht Zähne.
Auf den Beinen haben Schüsse schon viele Brüche verursacht. Wird ein Spieler auf dem vom Schuh geschützten Knöchel getroffen, kann er zwar oft das Spiel noch zu Ende bringen, die große Schwellung tritt aber erst nach dem Ausziehen auf.
Höllenschmerzen
Oder mit ganz viel Pech – das ist erst vor Kurzem passiert – verrutscht einem Spieler im ungünstigsten Moment das Suspensorium. Jener Profi wurde voll getroffen und spielte mit größten Schmerzen bis zur Pause weiter. Ein Blick des Arztes in der Kabine reichte, um den Spieler sofort ins Krankenhaus zur Operation des zerfetzten Hodens zu schicken. Sein Name kann hier nicht genannt werden. Denn die wochenlange Pause zur Genesung hat der Spieler nicht wahrgenommen. Er war wenig später schon wieder im Einsatz.
Wäre sein Leiden bekannt, würde die verletzte Stelle von Gegenspielern mit Sicherheit besonders attackiert. Von daher sprechen die Klubs nur von Ober- und Unterkörper-Verletzungen.
Am Dienstag geht es in den Best-of-seven-Serien im Viertelfinale in die vierte Runde. In den vier Duellen kann nur Meister Salzburg bei Fehervar den Aufstieg ins Semifinale fixieren. Kurios: Bei KAC – VSV und Capitals – Innsbruck gab es in sechs Partien nur Auswärtssiege. Am Sonntag siegten die Caps in Innsbruck 5:2, der KAC in Villach 4:3
Sperre
Villach-Tormann Jean-Philippe Lamoureux schoss am Sonntag gegen den KAC aus Frust einen Puck Richtung Referee und wurde für zwei Spiele gesperrt. Für ihn holt der VSV Ali Schmidt vom Partnerklub Kitzbühel.
Dienstag, 19.15: Vienna Capitals – Innsbruck (Stand 2:1), Black Wings Linz – Südtirol (2:1), Fehervar – Salzburg (0:3).
19.30: KAC – VSV (2:1/live Puls24)
Geschichten wie diese zeigen, dass Eishockeyspieler eine besondere Leidensfähigkeit haben. Bekannt sind die Videos, wie Spieler Zähne ausspucken und weiterspielen, wie etwa der beinharte Verteidiger Sven Klimbacher bei einem Champions-League-Spiel der Capitals in Schweden. Der Kärntner war es auch, der einst zwei Spiele mit einem gebrochenen Mittelfuß absolvierte. „Nach der Partie in Znaim habe ich aber nicht mehr gehen können“, erinnert sich Klimbacher, der jetzt als Sanitäter Leben rettet. „Früher habe ich versucht, Leuten wehzutun“, sagt er schelmisch.
Ein besonderes Kapitel schrieb Ex-Nationalspieler Oliver Setzinger, der sich 2020 kurz vor dem Entscheidungsspiel seiner Graz 99ers und nur eine Woche nach seiner Verletzung seinen Gips vom Bein schnitt, sein Team zu einem 5:3 gegen Dornbirn und ins Play-off führte. Die verletzte Stelle war betäubt worden. Nach dem Spiel kam der Gips wieder hinauf. „Ich habe gefragt, ob es geht, wenn man es betäubt und sie haben gesagt, dass was passieren könnte. Aber: Es muss ja nichts passieren.“
Kopftreffer
Immer wieder kehren Profis direkt aus dem Krankenhaus auf das Eis zurück: 2015 zum Beispiel, als der Villacher Mark Santorelli in Salzburg am Helm getroffen wurde. Seine Platzwunde wurde mit sechs Stichen genäht, er kam zurück und spielte. Aber mit einem anderen Helm – der erste hatte ein Loch.

Santorellis Helm nach dem Treffer
Philippe Lakos, der im Sommer seine Karriere beendete, war beim Austeilen eifrig, konnte aber auch einstecken. Im Februar 2016 hatte ihm der Salzburger Brett Sterling mit einem Stockschlag beinahe einen Finger abgetrennt. Während seine Kollegen den Sieg erkämpften, war Lakos im Krankenhaus, wo die Ärzte seinen Finger retteten. Das oberste Glied hing nur noch an Hautfetzen. Eine Stunde nach dem Spielende kam Lakos zurück und sagte: „In diesem Moment hab ich mir nur gedacht: Nicht schon wieder so eine Scheiße. Ich will nicht ausfallen.“

Philippe Lakos nach der Operation
Der Villacher Giuseppe Mion glaubt, dass in den 80er und 90er-Jahren viel mehr passiert ist. „Die Kader waren kleiner, da konntest du nicht ausfallen.“ Er selbst spielte mit einem Kieferbruch. „Ein Schlosser hat mir einfach einen Korb auf den Helm geschmiedet und ich war wieder auf dem Eis.“ VSV-Legende Ken Strong habe zwei Tage nach einem Armbruch mit einer Schiene das Siegestor geschossen.
Solche Erzählungen schaffen es meist erst Jahre danach an die Öffentlichkeit. Zumindest so schützen sich die Eishockey-Cracks selbst.

Die härteste Liga der Welt ist immer noch die National Hockey League. Einige Beispiele aus früheren Jahren zeigen, warum die NHL-Profis als harte Hunde gelten: Montreal Maurice Richard wird 1952 nach einem Crosscheck bewusstlos ins Spital eingeliefert. Er kehrt aber zum Spiel zurück und schießt gegen Boston den Siegestreffer. An diesen kann er sich aber bis zu seinem Tod nicht erinnern.
Ed van Impe von den Philadelphia Flyers wirft sich 1969 in einen Schuss. Er verliert dabei zwei Zähne, der Teamarzt näht die geplatzte Lippe und die gespaltene Zunge mit 30 Stichen. Danach spielt van Impe gleich weiter.
1985 spielt Tom Laidlow trotz Schmerzen für die Rangers gegen Boston. Nach dem Spiel fährt er ins Krankenhaus, wo ihm die Milz entfernt wird.
Vor sechs Jahren startet Joe Thornton mit den San Jose Sharks ins Play-off gegen die Edmonton Oilers. Der 1,93 Meter große Star aus Kanada spielt trotz Kreuz- und Innenbandriss im Knie. „Das ist ganz normal für einen Eishockeyspieler, damit müssen wir umgehen“, sagte er. Trainer DeBoer war begeistert: „Das ist der heldenhafteste Einsatz, den ich je gesehen habe.“
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