Elie Tawk ist 19 Jahre jung, Student des Finanzingenieurwesens und der zweite und zugleich jüngste libanesische Skilangläufer bei Olympia. Am Dienstag tritt er als krasser Außenseiter im 1,2-Kilometer-Sprint sowie am 11. Februar im 15-Kilometer-Klassik-Rennen an. "Ich werde mit jedem Ergebnis zufrieden sein. Das wird meine Vorbereitung für spätere Erfolge! Ich arbeite hart für meine Zukunft", sagte Elie Tawk.
Trainiert wurde auf mehr als 2.000 Metern Höhe in Bischarri im Norden Libanons. Dort steht seit 1953 der erste Skilift im ältesten Skigebiet des Landes, umgeben von einem Zedern-Wald. Die „Cedars of God“ (Die Zedern Gottes) sind UNESCO-Weltkulturerbe und ein Gebiet, das die letzten großen Bestände der Libanon-Zeder beherbergt.
Im Sommer sind Elie und Samer mit ihrem serbischen Trainer Aleksandar Milenković auf dem 3.088 Meter hohen Berg Al-Qurnat As-Sauda, wo Langlaufkollegen zu Trainingszwecken bergauf geschoben werden, inklusive rasanter Abfahrt samt Sturzgefahr.
Vorbereitung in Tirol
Zur optimalen Vorbereitung auf die Bewerbe in Peking verlegten die Tawks und Coach Milenković das Trainingslager nach Seefeld in Tirol. "Ich liebe Österreich und seine Wintersportkultur, das ist ein tolles Land mit netten Leuten", sagt Samer Tawk dem KURIER.
Dort unterstützte er seinen Cousin und arbeitete selbst an seinem Comeback. Denn beim Training in seiner Heimat rutschte Samer im Mai 2019 aus und stürzte von einem steilen Abhang 14 Meter in den Abgrund.
Die Ärzte kämpften um sein Leben. Unzählige Knochenbrüche im Becken, an der Hand, am Ellbogen – acht Operationen waren nötig. "Die Schmerzen waren unglaublich, ebenso die Physiotherapie. Ich konnte mich drei Monate lang kaum bewegen und verlor 18 Kilogramm Körpergewicht. Doch ich wollte beweisen, dass alle falsch lagen und ich nicht im Rollstuhl enden würde."
Aufgehört zu träumen hat Samer trotz des Unfalls nie: "Es ist ein Wunder, dass ich überlebt habe. Ich will wieder fit werden und mit Elie bei den nächsten Spielen 2026 in Mailand und Turin gemeinsam antreten."
Obwohl er in Peking nur als Trainer dabei ist, hat sich für ihn an der Bedeutung der Olympischen Spiele nichts geändert: "Es geht nicht um Medaillen, sondern ums Teilnehmen. Wir sind Sportler und Kämpfer!"
Mit sechs Jahren fuhr Samer in Bischarri erstmals die Pisten hinab. Mehr als zehn Jahre später kam ein Mitglied des Wintersport-Verbandes und zeigte ihm das Skilanglaufen. Richtig gelernt hat er den für sein Land ungewöhnlichen Sport durch Aleksandar Milenković, der selbst dreimal in drei verschiedenen Disziplinen bei den Spielen antrat. Mit ihm an seiner Seite qualifizierte er sich im letzten Rennen in Oberstdorf für Olympia 2018 in Südkorea. Und so wurde er zum ersten Libanesen, der an einem olympischen Langlaufbewerb teilnahm.
"Als die Medien davon erfuhren, wurde überall darüber berichtet. Das ganze Land war aufgeregt und stolz auf mich", erzählt Samer Tawk. Stolz ist der 24-Jährige auch auf Elie, den er zum Langlaufen inspirierte, obwohl es noch immer keine Unterstützung oder Sponsoren gibt. Samer arbeitet deshalb im Libanon als Trainer und Tour-Guide.
Der Libanon ist das einzige wüstenfreie arabische Land. Bei vielen weckt es Erinnerungen an die katastrophale Explosion im Hafen von Beirut mit mindestens 190 Toten 2020 – und an den Krieg im Nachbarland Syrien.
Für den dreifachen libanesischen Meister Samer Tawk ist seine krisengeschüttelte Heimat „großartig und friedvoll. Ich liebe unsere Kultur und die Menschen, und wie wir uns hier umeinander kümmern. Der Libanon und das Langlaufen bedeuten für mich Freiheit.“
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