Auf Eis gelegt: Rodel-Star Müller und eine verhängnisvolle Autofahrt
Jonas Müller hat bis auf Weiteres seine WhatsApp-Rodelgruppe auf stumm geschaltet. Denn jedes Mal, wenn das Handy klingelt oder vibriert, würde es ihn daran erinnern, dass er gerade nicht da ist, wo er eigentlich sein sollte. Während seine Rodelkollegen in Yanqing auf der Olympiabahn trainieren, hängt Jonas Müller in Innsbruck fest. „Ein richtiger Schas“, sagt der Sprintweltmeister von 2019.
Und alles nur, weil Jonas Müller zur falschen Zeit im falschen Auto saß.
Böses Erwachen
Der Vorarlberger durfte letzten Mittwoch in Frankfurt nicht in den Charterflieger Richtung China steigen, weil er als K-2-Person gilt. Müller hatte sich auf der Anreise ein Auto mit Verbandschef Markus Prock geteilt, den kurz vor dem Flughafen die Nachricht von seinem positiven Coronatest ereilte. „Wir sind auf der Stelle umgedreht“, erzählt Müller. Mit im Auto saßen auch noch Rodlerin Hannah Prock und zwei Betreuer. Sie alle mussten die Reise zum Weltcupauftakt in Yanqing (20./21.11.) abblasen.
„Im ersten Moment hat es sich brutal unfair angefühlt“, sagt Jonas Müller, „weil ich selbst ja überhaupt nichts dafür kann.“
Großes Dilemma
In den letzten Tagen wurde dem 24-Jährigen mehr und mehr bewusst, welche fatalen Folgen diese verhängnisvolle Fahrgemeinschaft haben könnte. Im schlimmsten Fall platzt für Jonas Müller schon jetzt der Traum von den Olympischen Spielen. Sollte der Vorarlberger nicht nach China nachreisen dürfen, sollte er die Olympia-Generalprobe verpassen, dann war’s das mit den ersten Winterspielen. „Olympia wäre dann wohl gelaufen“, fürchtet Verbandschef Markus Prock.
Tatsächlich stecken Jonas Müller und seine Teamkollegin Hannah Prock in einem echten Dilemma. Mit Ausnahme von David Gleirscher, der als Olympiasieger vor einem Jahr die Bahn einweihen durfte, ist der Eiskanal von Yanqing für alle Rodler Neuland. Umso wichtiger sind die zwei Trainingswochen vor dem Weltcupauftakt. Es wird bis zu den Winterspielen die letzte Gelegenheit sein, die Olympiabahn zu testen.
Nervige Angelegenheit
„Man braucht schon einige Läufe, um sich auf eine neue Bahn einzustellen und die Ideallinie zu finden“, sagt Jonas Müller. „Und dann geht es ja um die Materialabstimmung auch noch. Jede einzelne Fahrt wäre so wichtig.“
Weil er nicht untätig sein will, hat der 24-Jährige die letzten Tage viel Zeit in der Kraftkammer verbracht, mit dem Zweitschlitten – die Einserrodel ist in China – absolvierte er Testfahrten in Igls. Zwei Mal am Tag unterzieht sich Müller einem Covid-Test und übermittelt die Ergebnisse nach Peking. In der Hoffnung, dass sich für ihn vielleicht doch noch die Tür hinter die Chinesische Mauer öffnet. „Das Nervigste ist, dass ich nicht weiß, wie’s weitergeht.“
Strenge Regeln
Wegen der strengen Covid-Einreise-Bestimmungen kann sich Müller nicht einfach selbst einen Flug nach China buchen. Am 14. November soll eine Delegation internationaler Rodel-Funktionäre Richtung China abheben. „Sollte ich da mitfahren dürfen, könnten sich noch einige Trainingsfahrten ausgehen“, hofft Jonas Müller.
Trotzdem wäre er gegenüber der Konkurrenz, die bereits in Yanqing rodelt, im Hintertreffen und hätte einen enormen Nachteil. Das ist auch Cheftrainer Rene Friedl bewusst, der deshalb die in China geplanten ersten internen Olympia-Qualifikationsläufe gestrichen hat.
Spät abends greift Jonas Müller dann doch regelmäßig zum Handy und liest sich die Nachrichten seiner WhatsApp-Rodelgruppe durch. Die Neugier ist größer als der Frust. „Das Feedback hilft mir weiter. Wir sind wirklich ein super Team. Falls einer von uns einen Trick rausfindet, teilt er das mit allen.“
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