Sonst hat Janine Flock dieser Tage in China ausschließlich mit Menschen zu tun, die augenscheinlich große Berührungsängste plagen. „Alle hier laufen mit Ganzkörperanzügen aus Plastik herum, ständig sprühen sie dich mit Desinfektionsmittel an“, erzählt die Tirolerin. „Das ist schon schräg, fast abnormal.“
Nĭ Hăo. Willkommen bei den Olympischen Winterspielen in Peking.
Seit zwei Wochen befinden sich Flock und ihre Skeleton- und Bobkollegen in China. Auf Geheiß des Organisationskomitees wurden an die 400 Athleten und Betreuer aus der ganzen Welt mit zwei Chartermaschinen nach Fernost gekarrt, um den Eiskanal von Yanqing zu testen. Dabei bekommen sie einen kleinen Vorgeschmack, was dann im Februar 2022 bei den Spielen auf sie zukommen wird.
Im Land, in dem das Coronavirus vor knapp zwei Jahren seinen Ursprung genommen hatte, wird eine Null-Toleranz-Politik gefahren. Davon können sich Janine Flock & Co. tagtäglich überzeugen. Es herrscht allerorts strenge Maskenpflicht, nur während der Trainingsfahrten darf der Mundschutz abgelegt werden. Obwohl es seit zwei Wochen keinen positiven Test gab und niemand aus der riesigen internationalen Delegation Kontakt zu Einheimischen hat, muss jeder jeden Tag zum PCR-Test antanzen.
Auch im Restaurant ist die Sorge vor Corona allgegenwärtig. Die Tische sind durch hohe Trennwände geteilt, jeder isst für sich allein in einer kleinen Koje. „Das ist schon komisch, weil man ja am Buffet sowieso Kontakt zu anderen hat, aber das muss man halt so hinnehmen“, meint Janine Flock.
Mitunter treiben die chinesischen Sicherheitsvorkehrungen sogar skurrile Blüten. Bob-Gesamtweltcupsiegerin Katrin Beierl stört es etwa maßlos, dass in ihrem Hotelzimmer seit der Ankunft noch nie der Boden gereinigt wurde. Als die Niederösterreicherin das Problem selbst in die Hand nehmen wollte und um einen Staubsauger bat, blies ihr der kalte Wind der Behörden ins Gesicht. „Man hat keine Chance, einen Staubsauger zu bekommen, weil Luftverwirbelungen aus Covid-Gründen nicht erlaubt sind“, berichtet Katrin Beierl. Auch im Bus, der die Athleten zur Bahn bringt, herrschte zuletzt dicke Luft, weil es untersagt ist, die Lüftung aufzudrehen. „Bei minus 4 Grad Außentemperatur war es ziemlich frisch im Bus ohne Heizung“, sagt die Bobpilotin.
Andererseits sind die Sportler ja ins ferne China gekommen, um die unbekannte Olympiabahn zu erkunden, und in dieser Hinsicht hat sich der dreiwöchige Trip sehr bezahlt gemacht. „Wir haben nicht gewusst, was uns erwartet. Man ist eher vom Worst-Case-Szenario ausgegangen“, sagt Flock. Doch keine dieser Befürchtungen hat sich bewahrheit.
Ganz im Gegenteil: Wären nicht all diese Beschränkungen, gäbe es nicht dieses lästige Virus mit all den Sicherheitsmaßnahmen, Yanqing wäre für die Bob- und Skeletonpiloten das Paradies. „Die haben hier was hergezaubert, so etwas gibt’s kein zweites Mal“, schwärmt Janine Flock. „Das ist ein architektonisches Kunstwerk.“ Und Katrin Beierl ergänzt: „Diese Bahn ist cool und anspruchsvoll.“
Schon die Bahnen, die für die Winterspiele in Sotschi (2014) und in Pyeongchang (2018) errichtet wurden, hatten alle Stückl’n gespielt, der Eiskanal nördlich von Peking toppt punkto Design und Ausstattung alles, was in diesem Sport bisher dagewesen ist. „Hier gibt’s sogar eine Indoorhalle zum Aufwärmen“, berichtet Janine Flock.
Die Zeit in China sei wertvoll und lehrreich, versichern die Athleten unisono. Weil die Bob- und Skeletonstars im Gegensatz zu den meisten anderen Sportlern wissen, was bei Olympia auf sie zukommt.
Einheimische mit Ganzkörperanzügen und Abendessen in Kojen sollte niemanden mehr aus der Bahn werfen.
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