Anna Veith: Warum ein zweiter Platz ihr größter Sieg war
"Ich bin müde und kann nicht mehr". Es ist fünf Jahre her, dass Anna Veith via Facebook Einblick in ihr Seelenleben gab. Sie hieß damals noch Anna Fenninger und befand sich gerade auf dem Höhepunkt ihres Schaffens.
Im Winter hatte sie zum zweiten Mal in Folge den Gesamtweltcup gewonnen, sie war noch keine 25 und hatte bereits alles erreicht und gewonnen. Sie war Weltmeisterin, Olympiasiegerin, Sportlerin des Jahres, Liebling der Massen, der größte Sportstar des Landes. Es hätte nicht besser laufen können.
Dass sie ihre sportliche Hochblüte nicht wirklich genießen konnte und damals bereits ernsthaft über das Aus nachdachte, lag an einem monatelangen Zwist, den sie und ihr Management sich mit dem ÖSV lieferten.
Vordergründig ging es damals um Sponsorverträge mit Konkurrenz-Unternehmen der ÖSV-Partner und um Sonderrechte im Training, wie sie ihr Schulkollege Marcel Hirscher zu diesem Zeitpunkt längst genoss. Aber irgendwann ging es nur mehr um gegenseitige Schuldzuweisungen, Emotionen und dem sturen Beharren auf Standpunkten.
Starke Persönlichkeit
Der heftige Streit gipfelte in besagtem Facebook-Posting, in dem Fenninger den ÖSV anprangerte („Sie tun alles, um mich fertig zu machen“), dem Präsidenten Peter Schröcksnadel ausrichten ließ, ein Frauenbild aus der Steinzeit zu haben und sich obendrein darüber beschwerte, „dass alle nach der Pfeife von nur einem einzigen tanzen müssen.“
Nie zuvor hatte ein ÖSV-Star es gewagt, den eigenen Verband so zu kritisieren.
Wer Peter Schröcksnadel auf die Art kommt, der kann sich normalerweise warm anziehen. Tatsächlich imponierte dem ÖSV-Boss aber die Hingabe, mit der sich Fenninger damals für ihren Weg und ihre Standpunkte einsetzte und er wurde fortan nicht nur ihr Manager, sondern auch ihr größter Fan. „Anna war sowohl was ihre Erfolge als auch ihre starke Persönlichkeit betrifft, eine Ausnahme-Athletin, an die man sich lange erinnern wird“, erklärte Peter Schröcksnadel nun fünf Jahre später anlässlich des offiziellen Rücktritts des Skistars.
Schwere Verletzung
Auf den ersten Blick konnte die zweite Hälfte ihrer Laufbahn nicht mit den ersten fünf Jahren mithalten, in denen Anna Veith die meisten ihrer Trophäen (sechs WM-Medaillen, drei Olympiamedaillen) und 15 Weltcupsiege eingefahren hatte. Dazwischen lagen der Streit und eine schwere Knieverletzung, die Veith im Herbst 2015 ereilte. Manche Trainer glauben noch heute, dass dieser Totalschaden im rechten Knie (Kreuzbandriss, Innenbandriss, Riss der Patellarsehne) seinen Ursprung im turbulenten Frühsommer hatte, der Veith viel Energie gekostet hatte.
Im Rückblick hätten sie die schwere Verletzung und die schwierige Zeit danach viel mehr geprägt, als die Erfolge in jungen Jahren, sagt Anna Veith heute. Gerade zu Beginn ihrer Karriere schien sie das Leben im Rampenlicht und der Rummel um ihre Person zu überfordern. Die junge Anna Fenninger wirkte dabei mitunter unnahbar, was ihr alsbald den Ruf einer Diva einbrachte, unlängst war in diesem Zusammenhang in einer Zeitung sogar das Wort Zicke zu lesen.
Großes Comeback
Richtig auskosten konnte Anna Veith das Gefühl des Erfolges erst in den letzten Jahren ihrer Karriere. Und so verwundert es auch nicht, dass sie jetzt als größten persönlichen Triumph ein Rennen bezeichnet, das sie gar nicht gewonnen hat. Den Super-G bei den Winterspielen 2018 in Pyeongchang, in dem sie um eine Hundertstelsekunde die Goldmedaille verpasst hatte.
„Diese Silbermedaille war zweifelsohne der emotionalste Moment. Sie war der Lohn für die ganze harte Arbeit.“, sagt die 30-Jährige. Nach ihrer Knieverletzung hatten auch im ÖSV viele daran gezweifelt, dass die Salzburgerin jemals wieder auf die Beine kommen würde. „Es gab Zeiten, in denen ich mir nicht vorstellen konnte, dass das überhaupt noch einmal funktioniert“, gestand sie damals im KURIER-Interview.
Neuer Zugang
Da wusste sie noch nicht, dass sie knapp ein Jahr später wieder von einem Kreuzbandriss gestoppt werden sollte und abermals von Null anfangen musste. Bei diesem zweiten Comeback gelang ihr im vergangenen Winter immerhin noch einmal ein beachtlicher siebenter Rang im Super-G. „Aber es ist mir einfach nicht mehr gelungen, dahin zu kommen wo ich hinwollte“.
Dass ihr am Ende nicht so ein perfekter Abschied vergönnt war wie Marcel Hirscher, der 2019 nach seinem achten Gesamtweltcupsieg abdankte, kann Anna Veith verschmerzen. „ Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, ich bin glücklich, dass ich meine Karriere gesund beenden kann. Ich habe meinen Kindheitstraum gelebt.“
Riesige Erleichterung
An Herausforderungen mangelt es Anna Veith in ihrem neuen Leben abseits der Pisten nicht. Mit ihrem Mann Manuel betreibt sie seit einigen Jahren ein Boutiquehotel in Rohrmoos, das viel Energie und Zeit in Anspruch nimmt. „Ich freue mich auf das Privatleben und das was kommt“, sagt sie und gesteht: „Ich fühle mich befreit, es ist schon eine gewisse Last von den Schultern gefallen.“
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