Dass Manuel Kramer einmal bei den Speedskifahrern landen würde, war so nicht geplant. Der Salzburger war 2009 Juniorenweltmeister im Super-G und galt als eines der größten Ski-Talente. Im Weltcup schaffte er immerhin einen zwölften Rang, ehe er – wie etliche andere Athleten seiner Generation – aussortiert wurde, weil die Karriere nicht schnell genug Fahrt aufgenommen hatte.
Seltenes Vergnügen
„Ich bin damals für zu alt befunden worden“, erzählt Manuel Kramer, „man sieht heute eh, wie das den ÖSV in die Bredouille gebracht hat. Aber das wissen sie dort inzwischen selbst.“
Nach dem frühen Abschied vom Ski-Weltcup erhielt der Salzburger Angebote von Skicrossern, Freestylern und Buckelpistenfahrern, aber als Abfahrer lag ihm naturgemäß die Geschwindigkeit im Blut, weshalb der Energie-Ingenieur nun seit 2016 in seiner Freizeit auf Tempojagd geht.
Das heißt jetzt nicht, dass Manuel Kramer bei jeder Gelegenheit die Skipisten direttissima hinunter brettert. Tatsächlich lebt er nur zwei, drei Mal im Jahr seine Leidenschaft aus, auf eigens präparierten Spezialstrecken, wie jener im französischen Vars, wo den notorischen Tempobolzern ein ganzer Berg zur Verfügung steht.
Spezialausrüstung
Der Steilhang mit 45 Grad Neigung lässt die Speedskifahrer innerhalb von sechs Sekunden auf 200 km/h beschleunigen. Auf ihrer rasanten Fahrt nach unten legen sie 450 Höhenmeter zurück. „Du hast 900 Meter für die Beschleunigung, dann wird auf 100 Metern die Geschwindigkeit gemessen“, erklärt Manuel Kramer. „Und danach hast du noch 500 Meter Auslauf, um zu bremsen.“
Mit herkömmlichen Skiern wäre diese Herausforderung nicht zu meistern. Speedskifahrer haben ein Spezialequipment, die Brett’ln sind mit 2,38 Metern nicht nur deutlich länger, sondern auch breiter und dicker.
Dazu kommt das etwas futuristisch anmutende Outfit mit dem aerodynamischen Weltraumhelm. „Der Helm ist ein Prototyp und der Rennanzug eine Maßanfertigung. Da sollte nämlich keine Falte drinnen sein“, sagt Kramer. „Jede Kleinigkeit kann Geschwindigkeit kosten.“
Gespenstische Ruhe
Der ehemalige Weltcupläufer hat schnell festgestellt, dass im Speedskifahren andere Verhaltensregeln gelten als in einer Abfahrt. „ Die Speedskiposition hat mit einer Abfahrerhocke, wie ich sie gelernt habe, überhaupt nichts zu tun“, berichtet Kramer. „Man muss seinen Schwerpunkt so tief wie möglich halten und schauen, dass man sich hinter dem Helm gut versteckt.“
Im Helm selbst herrscht während der Fahrt eine gespenstische Ruhe. Manuel Kramer bekommt nicht mit, wie flott er unterwegs ist, er weiß nur, dass er nicht den geringsten Mucks machen darf.
„Bis 230 km/h habe ich das relativ gut unter Kontrolle. Ab da wird’s dann kritisch, da hat jeder kleinste Windhauch enorme Auswirkungen.“ Stürze bei Tempo 200 und mehr lassen nicht nur die Knochen brechen, die Athleten erleiden meist auch schwerste Verbrennungen. „Mich hat’s zum Glück noch nie geschmissen“, sagt Manuel Kramer.
Die größte Gefahr ist das Abbremsen. „Da kriegst du dann den Speed und die Kräfte richtig mit.“ Der Österreicher hat einmal den Fehler gemacht, sich bei 240 km/h zu schnell aufzurichten. „Ich bin dann 20, 30 Meter durch die Luft geflogen.“
Manuel Kramer hat noch große Ambitionen. Er träumt davon, dass er als Speedskifahrer 2030 zu Olympia darf. Und er hat eine neue alpine Schallmauer ausgemacht. „260 km/h sind sicher möglich.“
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