Nach dem Tod von Dietrich Mateschitz: Moral mit doppeltem Boden

Stern des Südens mit Schattenseite: Das Trikot des FC Bayern
Von beißender Kritik, ehrlichem Mitgefühl und dem Problem mit Investoren aus dem Großkapital.

Über den Geschmack von Red Bull lässt sich streiten. Über so manch hämische Online-Reaktion auf das Ableben von Milliardär Dietrich Mateschitz freilich auch. Hatte er täglich zwölf  Dosen geleert und eine Chemotherapie abgelehnt? Drehen die thailändischen 51-Prozent-Eigentümer dem Sportimperium des Konzerns den Geldhahn zu? Solche Fragen wurden schon parallel zur Todesnachricht gestellt.

In Wahrheit wissen die Strippenzieher am Boulevard nicht einmal, wann, wie und wo Mateschitz die letzte Ehre erwiesen wird (oder schon wurde). Sie wissen nur, dass sich mit Spekulationen Aufmerksamkeit erzielen lässt. Konträr zu ätzenden Kommentaren im Netz werden Mateschitz vom Sport posthum Rosen gestreut.

Sebastian Vettel trägt beim Mexiko-GP einen „Danke Didi“-Helm. Österreichische Amateursportklubs wiederum vergessen nicht, dass ihnen Mateschitz während Corona mit insgesamt 15 Millionen Euro half. Rapid würdigt in einem vom scheidenden Führungsduo (Präsident Martin Bruckner und Geschäftsführer Christoph Peschek) und Sportchef Zoran Barisic unterzeichneten Beileidsschreiben an RB Salzburg die  außergewöhnlichen Verdienste von Mateschitz. „Auch wenn wir in Bezug auf den Betrieb eines Fußballklubs andere Ansätze verfolgen.“

Diese andere Ideologie ist es auch, die Fußball-Europa spaltet. Einerseits schwärmen Romantiker von Mitgliederklubs, die sich nicht in Abhängigkeit von Investoren begeben. Andrerseits drehen Ultras rasch durch, wenn wegen finanzieller Limits Erfolge ausbleiben.
Dass Champions-League-Schlager oft zum Duell FC Scheich vs. SC Oligarch wurden, kostete den Fußball Sympathie.

Und dass soeben Barcelona und Juventus den Weiterverbleib in der Königsklasse verpassten, löst Schadenfreude aus. Handelt es sich doch um jene Klubs, die mit Real Madrid nach wie vor an einer eigener Champions League basteln, um im elitären Kreis ohne Qualifikationsdruck unter sich bleiben zu können.

Als krisenfest hat sich ohne Abhängigkeit von einem Großinvestor in diesem Jahrtausend nur der FC Bayern erwiesen. Und selbst der gerät  ins Schussfeld, weil sich die Münchner Werbung für Qatar Airways am Leibchenärmel gut bezahlen lassen. Bayerns Urgestein Uli Hoeneß nennt die Aufregung scheinheilig. Nicht nur er ortet eine doppelbödige Moral, wenn das deutsche Nationalteam wegen seiner WM-Teilnahme im Wüstenstaat kritisiert wird, doch der deutsche Vizekanzler ebendort die Scheichs um Gas ersucht hat.

In den WM-Stadien von Katar darf kein Red Bull getrunken werden. Nicht aus religiösem Grund, sondern weil Coca-Cola Hauptsponsor der FIFA ist.

Kommentare