Ihrer Mutter war es zu verdanken, dass die 27-Jährige die Karriere nicht ausrollen ließ. „Sie hat gesagt: ,Trainier’ über den Winter, vielleicht kriegst du eine Chance.’ Ich danke meiner Mama jeden Tag, dass sie so auf mich eingeredet hat.“
Innere Zufriedenheit
Ohne die Überredungskunst der Mutter wäre der ausgebildeten Chemielabortechnikerin einiges vorenthalten geblieben: Auftritte bei der Tour de France der Frauen, Einsätze bei Radklassikern wie an diesem Sonntag bei der Flandern-Rundfahrt, nicht zuletzt ihre WM-Bronzemedaille im Einzelzeitfahren 2023.
„Wir reden daheim oft darüber, was wohl aus mir sonst geworden wäre“, sinniert Christina Schweinberger und liefert gleich selbst die ehrliche Antwort. „Diese Zufriedenheit, die ich jetzt habe, die hätte ich ohne das Radfahren sicher nicht erreicht. Und wahrscheinlich hätte ich dem Leben als Radprofi auch immer nachgetrauert.“
Mentaler Druck
Christina Schweinberger ist eine Sportlerin, die sehr viel reflektiert und sich selbst immer wieder hinterfragt. Auch in Momenten, in denen es eigentlich keinen Grund gäbe, sich den Kopf zu zerbrechen.
Nach ihrem überraschenden dritten Platz im WM-Einzelzeitfahren im Sommer 2023 war der Jenbacherin nicht nur zum Jubeln zumute, sondern sie dachte bereits weiter. Was, wenn dieser Erfolg nur eine Eintagsfliege war?
„Ich habe danach den Druck verspürt, dass ich diese Leistung wiederholen muss und zeige, dass es kein Zufall war“, erzählt Christina Schweinberger. Umso wichtiger war für sie der Gewinn der EM-Bronzemedaille im Einzelzeitfahren. „Ich war danach richtig erleichtert.“
Diese Selbstzweifel lassen sich freilich nicht so leicht abschütteln. Sie hängen irgendwie an ihrem Hinterrad und rufen sich bei jeder Gelegenheit in Erinnerung. Auch nach der Winterpause stand die 27-Jährige bei den ersten Rennen angespannt am Start. „Ich war sehr nervös, weil ich nicht wusste, wie gut ich bin. Es hilft extrem, wenn die ersten Rennen positiv verlaufen. Ich weiß jetzt wieder, dass ich vorne mitfahren kann.“
Rasanter Aufstieg
Dafür hätte auch ein Blick in ihre Palmares gereicht. Drei Jahre nach der Sinnkrise gehört Christina Schweinberger zum erlauchten Kreis der Weltklasseradfahrerinnen. Man wird nicht zufällig Fünfte im WM-Straßenrennen und landet bei den Eintagesklassikern regelmäßig im Spitzenfeld. Wenn sie heute eine Attacke lanciert, dann heften sich die Konkurrentinnen sofort an ihr Hinterrad. „Auch das muss man sich erarbeiten.“
Es hat sich also einiges getan in der turbulenten Karriere von Christina Schweinberger. Wie überhaupt der ganze Frauen-Radsport in den letzten Jahren richtig auf Touren gekommen ist. „Es ist unglaublich professionell geworden“, sagt die Fahrerin des Fenix-Deceuninck-Teams.
In der Vorbereitung durften die Frauen heuer erstmals ins Höhentrainingslager, „bei unserem Team gibt’s auch keinen eigenen Betreuerstab mehr für die Herren, sondern da wird durchgewechselt.“
55.000 Euro Mindestlohn
Auch finanziell dreht sich das Rad vorwärts. Der Mindestlohn bei den World-Tour-Teams ist für Frauen wie Herren gleich hoch (55.000 Euro). „Vor zwei Jahren hätte ich mich nicht zu sagen getraut, dass ich Radprofi bin“, meint Christina Schweinberger. „Inzwischen bin ich es, weil ich davon leben kann.“
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