Erstmals trat bei den Olympischen Spielen in Tokio 2021 eine Transgender-Athletin an. Gewichtheberin Laurel Hubbard verpasste eine Medaille klar. Dennoch beschäftigte viele die Frage, ob Transgender-Athletinnen den Leistungssport der Frauen gefährden. Im Fall von Lia Thomas ist dies noch nicht eindeutig zu beantworten.
Ihr Rennen über die 500 Yards gewann Thomas mit einer Körperlänge Vorsprung vor drei Olympia-Medaillengewinnerinnen. Über die 200 Yards (182,88 Meter) wurde sie Fünfte, über 100 Yards (91,44 Meter) Achte. 27 Rekorde wurden bei den diesjährigen NCAA-Meisterschaften gebrochen, kein einziger von Lia Thomas.
„Wenn man alle im Sport inkludieren will, muss man zuerst einen Diskussionsprozess schaffen und den Gedanken zulassen, sich neue Lösungen für bestimmte Sportarten zu überlegen“, sagt Nikola Staritz. Ein Lösungsansatz könnten Leistungsgruppen sein.
Starre Kategorien wie Geschlecht, Alter, Gewichts- und Stärkeklassen definieren den Sport, doch nun stellt sich die Frage: Ist man bereit, dieses Zwei-Geschlechter-Denken zu überwinden?
„Im Breitensport ist Transgender kein Thema. Im Spitzensport muss man aber jede Disziplin und jeden Fall individuell betrachten“, sagt Staritz. Das Internationale Olympische Komitee sieht das ähnlich und lässt seit März 2022 jeden Weltverband selbst über Teilnahme-Richtlinien für Transgender-Athletinnen entscheiden. Zuvor basierte dies auf einheitlichen Testosteron-Niveaus.
Der Leichtathletik-Weltverband verlangt einen Nachweis, über einen Bluttestosteronspiegel in den vergangenen zwölf Monaten. Der Rugby-Weltverband schloss Transgender-Personen gänzlich aus, weil „die Sicherheit der Spielerinnen nicht mehr gewährleistet“ werden könne. Die britische „Sports Council Equality Group“ kam bei wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Entschluss, dass es „bleibende Unterschiede in Kraft, Ausdauer und Körperbau zwischen der durchschnittlichen Frau im Vergleich zur durchschnittlichen Transgender-Frau oder einer nicht-binären Person, die bei der Geburt als Mann registriert wurde“ gibt.
In vielen Fällen gleicht sich die sportliche Leistungsfähigkeit zwar nach einer zweijährigen Hormontherapie an, Vorteile durch die männliche Pubertät können aber nicht ausgeschlossen werden. Die Studienlage mit aktiven Transgender-Sportlerinnen ist noch zu gering und wenig aussagekräftig. Dass alle Athleten irgendwann die gleichen Startbedingungen haben werden, ist selbst für Nikola Staritz „eine Illusion“.
„Bei aller Empathie und Verständnis für die Problematik, halte ich die Vergleichbarkeit der Leistung zwischen Frauen und Transgender-Frauen für schwierig“, sagt Jürgen Scharhag, Sportmediziner an der Universität Wien.
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