Vor der Tischtennis-EM: Von Schläger-Typen und Ballzauberern

Vor der Tischtennis-EM: Von Schläger-Typen und Ballzauberern
Am Dienstag beginnt in Linz die Europameisterschaft. Die Geschichte der Sportart geht in die 1890-Jahre zurück. In der Entwicklung des Rackets entstand auch der Begriff Ping Pong.

Acht Stunden, 34 Minuten und 29 Sekunden dauerte der längste Ballwechsel im Tischtennis, gespielt im Jahr 2009 von Koji Matsushida und Hiroshi Kamura-Kittenberger.

Keine Angst, bei der Europameisterschaft ab 15. Oktober in Linz wird es kurzweiliger werden, ist doch Tischtennis eine der kurzweiligsten Sportarten überhaupt. Wenn der Ball mit bis zu 180 Stundenkilometern und mit bis zu 170 Umdrehungen pro Sekunde (!) über das Netz fliegt, dann bleiben dem Gegenüber nur Millisekunden zur Reaktion. Ob das aufgrund übersinnlicher Kräfte oder durch Intuition erfolgt, kann sich Zuschauer ab Dienstag in der Tips-Arena selbst genau ansehen.

Saiten-Anfang

Solche Höchstleistungen werden auch dank der Materialentwicklung ermöglicht, wie Rudolf Sporrer, langjähriger Generalsekretär im österreichischen Tischtennisverband, mit historischen Exponaten zeigt. Bei einem Besuch in den Räumlichkeiten des Verbandes in Wien tischt Sporrer seine Schlägersammlung auf. Und da fällt gleich ein Mini-Tennisschläger ins Auge. „Am Beginn hat man tatsächlich mit einem kleinen Schläger mit Saiten gespielt“, sagt Sporrer über die Anfänge des Sports. Gespielt wird Tischtennis seit den 1890er-Jahren, begonnen hat alles in Großbritannien. Der hartbesaitete Schläger traf Bälle ähnlich jenen im Tennis.

Wenig später kam die Entwicklung, die zum lautmalerischen Begriff Ping Pong führte. Die Schläger bekamen wie das Instrument ein Trommelfell. „Je nachdem, wie hart oder weich der Schläger bespannt war, machte es Ping oder Pong“, sagt Sporrer.

Doch schon 1910 nahm der Schläger eine Gestalt an, die der heutigen ähnlich ist. Auf die Holzfläche kam ein Korkbelag.

Historisch: Tischtennisschläger von 1890 bis 2024

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Früh-Noppen

Nach dem Zweiten Weltkrieg beschleunigte sich die Entwicklung, es kam der Noppenschläger auf. Vor und nach dem Krieg war Österreich mehrmals Schauplatz von Weltmeisterschaften. Ein Star war Richard Bergmann, der vor dem NS-Regime als Österreicher Weltmeister wurde, nach dem Krieg holte er drei WM-Goldene für Großbritannien.

Ein Pionier war der Vorarlberger Waldemar Fritsch, der bei der WM 1951 mit einer dicken Schwamm-Auflage spielte und im Mannschaftsbewerb alle Stars besiegte. Ein Schlager wurde der Anti-Top-Spin-Belag des Steirers Toni Hold, der sich 40 Millionen Mal verkauft haben soll. Er war die Antwort auf die japanischen Beläge, mit denen enormer Spin gespielt werden konnte.

Den Spin herausnehmen können außen liegende Noppen. Einen solchen spielt der Schwede Mattias Falck, Vizeweltmeister von 2019.

Truls Möregårdh

Eckig:  Der Schwede Truls Möregårdh gewann heuer Olympia-Silber

Seit den 1960er-Jahren ist die Schlägerentwicklung eher eine Evolution als Revolution. Der neue vom schwedischen Hersteller Stiga auf den Markt gebrachte sechseckige Schläger hat spätestens bei Olympia 2024 viele Blicke auf sich gezogen. Der Schwede Truls Moregardh kam damit bis ins Finale, Videos seiner Ballwechsel gingen viral. Liest man die Beschreibung des Herstellers, dann stellt sich die Frage, warum nicht alle Profis auf den eckigen Schläger umsteigen. Mehr Spin und eine um sechs Prozent größere Schlagfläche sollen das Spiel erleichtern.

Der Großteil der Spieler hegt Zweifel. Die Stars der Sportart aus China, wo Tischtennis wissenschaftlich begleitet wird, sind trotz eines Vertrages mit Stiga beim runden Schläger geblieben. „Es geht wohl auch viel um das Gefühl. Wenn man jahrelang damit gespielt hat, ist das anders, als wenn man jetzt umsteigt“, glaubt Stefan Fegerl, Sportdirektor im österreichischen Verband ÖTTV.

Der 36-Jährige brachte zum Termin auch seinen Schläger mit – klassisch, mit Noppen nach innen, schwarzer und roter Belagsfläche.

Belagsfertig

Die Kosten für einen professionellen Schläger? „Ein Belag kostet circa 80 Euro, das Holz 150 bis 200 Euro“, sagt Fegerl. Das macht also bis zu 360 Euro aus. Ist ein Spieler in einem Turnier, dann wird der Belag alles zwei Tage gewechselt. Da auch das Holz mit der Zeit weicher wird, tauschen die Profis nach ein bis zwei Jahren den Schläger aus. Die Profis haben natürlich alle ihre Verträge mit den Ausrüstern.

Sportdirektor Fegerl beschreibt das Ritual vor einem Turnier wie bei der EM: „Zwei Tage davor wird das Holz mit einem weißen Kleber bestrichen: Es wird getrocknet, dann noch einmal bestrichen. Dann wird der Kleber mit einem Föhn getrocknet, der Belag daraufgeklebt und zurechtgeschnitten. Dann geht man an den Tisch und spielt den Schläger eine Stunde lang ein. Vor dem ersten Spiel haucht man den Belag an und wischt mit der Hand den Staub ab.“

Dann kann es losgehen.

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