Tischtennis-Ass Polcanova: "Nach dem EM-Titel kam der Tiefpunkt"

Tischtennis-Ass Polcanova: "Nach dem EM-Titel kam der Tiefpunkt"
Bei der Tischtennis-EM in Linz ist Lokalmatadorin Sofia Polcanova auf Rang zwei gesetzt. Mit dem KURIER sprach sie über mentale Tiefen, Rücktrittsgedanken und den Schlüssel zur Top-Leistung.

Sofia Polcanova wird ab heute bei der Tischtennis-Europameisterschaft in Linz zu Tisch gebeten. Am Mittwoch beginnt die amtierende Europameisterin (Einzel und Doppel) mit Robert Gardos im Mixed Doppel, ab Donnerstag in Einzel und im Doppel mit der Rumänin Bernadette Szöcz.

Die Saison ist bisher zufriedenstellend verlaufen. Ein fünfter Platz bei den Olympischen Spielen war historisch im österreichischen Tischtennis-Sport, noch nie ist eine Österreicherin im olympischen Bewerb so weit gekommen. Die 30-Jährige war in Paris zudem die letzte Europäerin im Turnier. Dennoch sagte Polcanova nach dem verlorenen Viertelfinale gegen Chen Meng, sie wisse, dass sie Großes erreicht hat, könne aufgrund der Enttäuschung aber noch nicht stolz darauf sein. Heute, sagt sie, ist sie „schon recht stolz, obwohl die Niederlage schon noch ein bisschen schmerzt“. 

Geht das nie weg? „Natürlich nicht“, sagt sie abgeklärt. „Es gibt schöne Momente im Sport und es gibt weniger schöne Momente. Es ist wichtig, dass man sich an alle Momente erinnert.“

Titel und Tiefpunkt

Die Erinnerungen an ihre Europameistertitel in München 2022 sind also ebenfalls noch präsent. Dort gewann sie Gold im Einzel, Gold im Doppel und Bronze im Mixed. 

Doch die EM-Titel haben eine Phase in Polcanovas sportlichem Leben eingeläutet, die im Nachhinein vieles verändert hat. Zunächst kam die Euphorie. Doch dann ging es bergab: „Im ersten Moment habe ich noch nicht so richtig verstanden, was das eigentlich bedeutet. Danach kam der Tiefpunkt.“ Das war 2023: eine gewisse Leere nach dem Triumph, hinzu kamen körperliche Probleme – die Hüfte der groß gewachsenen Sportlerin spielte nicht mehr mit. Bei den European Games in Krakau ging es Polcanova „richtig schlecht“. Es dauerte nicht lange, da kamen Rücktrittsgedanken auf – und wurden immer konkreter. „Ich habe mir wirklich überlegt, die EM in Linz wird mein letztes Turnier sein“, verriet Polcanova heuer in Paris. „Jetzt ist das nicht mehr so.“

„Ich habe mir wirklich überlegt, die EM in Linz wird mein letztes Turnier sein“

von Sofia Polcanova

über Rücktrittsgedanken

Mentales Training 

Die Gründe, dass es wieder bergauf ging, seien vielfältig, sagt Polcanova. Das Umfeld passe jetzt einfach viel besser. „Ich glaube, jeder Sportler durchlebt einmal so ein Tief. Manche nicht nur einmal. Deswegen ist es wichtig, die Hoffnung nicht zu verlieren.“

„Ich habe sehr viel mit meinem Mentaltrainer im Olympiazentrum gearbeitet, aber auch allein.“ Noch einmal betont sie, dass die Menschen, die sie jetzt umgeben, „die wichtigsten und richtigsten Leute sind“ und das sei auch „der Schlüssel“.

Sie jedenfalls habe wieder ihren Weg gefunden, sagt Polcanova. „Ich bin auf jeden Fall reifer als vor dem EM-Sieg und kurz danach. Ich habe das Gefühl, ich bin jetzt so, wie ich bin – und stolz darauf. Ich muss nichts vortäuschen oder schauspielen.“ Wie sie zu diesem Punkt kam? „Ich glaube, das kommt mit dem Alter“, sagt Polcanova und lacht. Zwischen 29 und 33 sei man im besten Alter für den Tischtennissport. Man habe schon eine gewisse Reife, aber sei körperlich noch fit. Und nach dem überstandenen Tief sei sie voller Hoffnung: „Jetzt denke ich schon, dass ich noch lange spielen werde. Hoffentlich.“

"Das bedeutet gar nichts"

Polcanova geht bei der EM in Linz als Titelverteidigerin ins Rennen, aber nach allem, was zwischen diesen beiden Europameisterschaften gewesen ist, all den Tal- und Bergfahrten, könne sie daraus nur eines schließen: „Nichts. Das bedeutet gar nichts.“ Jeder Tag, sagt die 30-Jährige, „ist ein neuer Tag. Und es spielt eine große Rolle, wie man am Tag x beinand’ ist.“ So viel man auch versuche zu beeinflussen, könne man „nie alles unter Kontrolle haben“. Man könne nur das Bestmögliche versuchen. In Form ist sie jedenfalls, in Europa derzeit auf Rang zwei, viermal hat sie heuer gegen Top-Ten-Spielerinnen gewonnen. 

Auf die Heim-EM vor ihrer Haustür freut sich die als Nummer zwei gesetzte Linzerin. Sie hoffe, dass die Sichtbarkeit ihres Sports auch Wirkung auf Menschen außerhalb der Tischtennis-Blase haben werde: „Ich hoffe, dass das für die Kinder ein Ansporn sein wird, mit Tischtennis zu beginnen.“ Das Interesse an ihrem Sport sei bereits gestiegen. „Man merkt, dass Tischtennis in Österreich gewachsen ist.“

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