Vielfalt auch in Paris: Die nächste Final-Debütantin auf höchster Ebene
Man darf dem Frauen-Tennis eines nicht vorwerfen, nämlich dass die Abwechslung fehlt. Nach dem überraschenden 7:6-6:7-7:5-Halbfinalsieg von Karolina Muchova über die favorisierte Aryna Sabalenka stand es fest: Die Tschechin ist die 13. Finaldebütantin eines Grand-Slam-Turniers in diesem Jahrzehnt. Und das erst im 13. Finale seit 2020 überhaupt (Wimbledon fiel vor drei Jahren aus). Zum Vergleich: Bei den Männern standen in diesem Zeitraum erst sechs Profis erstmals in einem großen Finale.
Dabei war die 26-jährige Muchova nur als Nummer 43 in die French Open gestartet, naturgemäß damit als ungesetzte Spielerin. Ihre Finalgegnerin am Samstag (15 Uhr/live Servus TV, Eurosport) hingegen weiß, wie es sich anfühlt, bei einem großen Showdown dabei zu sein. Die polnische Ranglisten-Erste Iga Swiatek hofft nach dem 6:2, 7:6 über die Brasilianerin Beatriz Haddad Maia auf ihren dritten Titel in Roland Garros und ihren vierten insgesamt.
Großmacht
Muchova bestätigt eine Regel im Frauen-Tennis: dass immer wieder neue Gesichter auftauchen. Dass das allerneueste aus Tschechien kommt, überrascht weniger.
Der von Superstars wie Martina Navratilova, Hanna Mandlikova oder der verstorbenen Jana Novotna in der Tschechoslowakei eingeschlagene Weg wurde konsequent fortgesetzt. Nur ein paar Beispiele der vergangenen Jahre: Barbora Krejcikova holte sich vor zwei Jahren den French-Open-Titel, Marketa Vondrousova stand 2019 in Paris im Finale, Karolina Pliskova bestritt zwei Major-Endspiele (Wimbledon 2021, US Open 2016), Routinier Petra Kvitova, derzeit als einzige Tschechin in den Top Ten, ist gar zweifache Grand-Slam-Siegerin.
Was andere Länder – insbesondere die Schweden – verabsäumt haben, den Schwung großer Spieler mitzunehmen, das gelingt in Tschechien. „Dort stehen mehr Gelder als in anderen Ländern zur Verfügung, und es werden Jugendliche vor allem in Klubs mehr gefördert“, sagt Thomas Hammerl, der Geschäftsführer des Europäischen Tennisverbandes. Wer sät, der erntet rasch. „Die Tschechen haben in allen Ranglisten mit Abstand die meisten Burschen und Mädchen“, sagt Hammerl. Die Siegerinnen der beiden letzten Auflagen des Junior-Grand-Slams in Paris hießen übrigens Linda Noskova bzw. Lucie Havlicková und kommen aus – richtig, Tschechien (Lesen Sie auch dazu: Die besten Tennis-Nationen im Nachwuchs).
Eine Tschechin im Endspiel ist also nichts Außergewöhnliches. Vom Talent und Engagement her ist es auch keine Sensation, dass sie Muchova heißt. Ihr Vater, der ehemalige Fußball-Profi Josef Mucha, der unter anderem bei Sigma Olmütz spielte, brachte sie zum Tennis, als sie sieben Jahre alt war. Dann ging sie konsequent ihren Weg, gebremst wurde sie nur von Verletzungen. „Es gab viele Momente, viele Tiefpunkte“, erinnert sich Muchova.
Viele Rückschläge
Schon als Juniorinnen hatte sie große Probleme mit dem Rücken und den Knien durch ihr schnelles Wachstum. 2021 stand Muchova bereits einmal im Halbfinale der Australian Open, kam bis auf Position 19 der Weltrangliste, stürzte dann aber wegen diverser Verletzungen aus den Top 200. Vor einem Jahr musste sie nach starkem Start in Roland Garros aufgeben, weil sie umgeknickt war.
Sie stand wieder auf. Auch im Halbfinale, wo sie gegen die Australian-Open-Siegerin Sabalenka einen Matchball abwehrte. „Es geht die ganze Zeit im Leben rauf und runter. Jetzt genieße ich, dass ich wieder oben bin.“
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