Die 1,82 Meter große Sabalenka gehört natürlich auch jener Generation im Frauen-Tennis an, die auf brachiale Grundlinienschläge setzt. Als einst exzellente Doppelspielerin (zwei Grand-Slam-Siege) scheut sie allerdings auch nicht den Weg ans Netz, was ihr taktisch viele Möglichkeiten eröffnet. Die größte Stärke der diesjährigen Australian-Open-Gewinnerin stellen womöglich dennoch nicht ihre kräftigen Armen oder flinken Beinen dar, sondern ihr kühler Kopf und ihr unbändiger Siegeswille. Die Nervenstärke war es auch, die sie nun vor der dritten US-Open-Halbfinalpleite in Folge bewahrte.
Würdige Nummer eins
Dass Sabalenka – unabhängig vom Ausgang des Endspiels – eine würdige und in der Szene respektierte Branchenanführerin sein wird, daran zweifelt niemand. Die Sympathien werden in der Nacht von Samstag auf Sonntag dennoch ihrer Finalgegnerin gehören. Und das liegt auch (aber nicht nur) daran, dass ihr mit Cori Gauff ein amerikanisches Wunderkind gegenübersteht. Die 19-Jährige überzeugte mit einem Zweisatzsieg im Halbfinale über die Tschechin Karolina Muchova und strebt nun ihren ersten Grand-Slam-Erfolg an.
Selbst eine fast einstündige Spielunterbrechung aufgrund einer Protestaktion von Umweltaktivisten konnte Gauff, die bereits 2019 als 15-jährige Qualifikantin das Achtelfinale von Wimbledon erreicht hatte, nicht aus dem Konzept bringen. „Momente wie diese sind Momente, die die Geschichte prägen werden“, sagte Gauff zur Störaktion. „Ich glaube an den Klimawandel. Ich denke, dass wir etwas besser machen können.“ Sie ist trotz ihres jungen Alters keine, die einsilbig wird, wenn im Sport gesellschaftspolitische Themen verhandelt werden.
Streitbare Person
Damit eckt sie nicht selten an. Ein Umstand, der sie mit Finalgegnerin Sabalenka verbindet. Als Belarussin hatte sie es in den vergangenen Jahren nicht leicht in der großen, weiten Tenniswelt. Sie trug das Ihre dazu bei, indem sie lange gebraucht hatte, bis sie sich öffentlich gegen den Krieg in der Ukraine aussprach und damit Stellung bezog gegen den Machthaber in ihrer Heimat, Alexander Lukaschenko. Wenn sie gegen Ukrainerinnen spielte, wartete sie nach Matchende schon mal demonstrativ am Netz auf den Handschlag, wohlwissend, dass diese angekündigt hatten, ihn zu verweigern.
Pfiffe auf dem Court waren der polarisierenden Weltklassesportlerin ebenso gewiss wie Beschimpfungen im Internet. In der Netflix-Dokuserie „Breaking-Point“ sieht man Sabalenka, wie sie an ihre Person gerichtete Hasskommentare vorliest und dabei in Tränen ausbricht.
Feuchte Augen sah man auch am Freitag. Es waren jedoch Tränen der Freude.
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