Thomas Muster zählte nicht zu diesen, deshalb tauchte er auch nur viermal in Wimbledon auf. Und ist die einzige Nummer eins der Tenniswelt, die kein Match in Wimbledon gewinnen konnte.
Dennoch weiß auch er: „Wenn die Bedingungen so wie heute wären, hätte ich das Turnier vielleicht nicht gewinnen können, aber doch ein bisschen besser ausgesehen“, sagt der Steirer, der lieber von den Grundlinien aus seine Gegner zermürbte.
Es hat sich was getan, es hat sich viel verändert. Die Plätze wurden langsamer, aber vor allem der Absprung ist nicht mehr so flach wie früher. „Heute hätte Muster mehr erreicht“, sagt auch Alex Antonitsch, der als erster Österreicher 1990 im Achtelfinale stand. Warum ist vieles anders?
„Man mäht mittlerweile anders, außerdem wird seit ein paar Jahren auch ein anderes Gras verwendet“, sagt Jürgen Melzer, Österreichs erfolgreichster Spieler in Wimbledon. Der Niederösterreicher hat den Wandel miterlebt, gewann 1999 den Juniorenbewerb, stand 2010 und 2013 im Achtelfinale und spielte 2018 sein letztes Match im All England Lawn Tennis and Croquet Club. Seit 2015 wird Weidegras verwendet. Auf diesem sind die Bälle heute langsamer, springen aber höher weg, als noch zu Zeiten eines Boris Beckers. „Deshalb ist Wimbledon auch längst kein Fall mehr für reine Aufschlag-Volley-Spezialisten, aber diese gibt es ohnehin kaum noch“, sagt Melzer, der als Offensivspieler Wimbledon geliebt hat.
Serve-and-Volley gefragt
Zeiten, als der Schwede Stefan Edberg auch nach Aufschlagsschupfern ständig auf dem Weg ans Netz unterwegs war, sind vorbei. Heute spielen fast alle Profis, auch bei den Frauen, ein ähnliches Spiel, egal, ob auf Sand oder Rasen. „In diesen Zeiten ist es fast so, dass der Centrecourt der French Open schneller ist als jener von Wimbledon“, sagt Antonitsch. Es werde auf jedem Belag getüftelt. „Heute arbeitet man auf allen Belägen viel mehr an der Geschwindigkeit und Beschaffenheit, das fängt schon beim Unterbau an“, sagt Antonitsch, der früher selbst das Aufschlag-Volley-Spiel bevorzugte und deshalb ein exzellenter Doppelspieler war. Natürlich ist der Aufschlag heute noch ein Thema, wenngleich nicht mehr in diesem Ausmaß. „Wenn bei Spielern wie Pete Sampras früher der erste Aufschlag kam, hatte man keine Chance. Das hat sich verändert“, sagt Antonitsch.
Routine gefragt
Auch, wenn die Plätze immer ähnlicher werden, sind sich die Experten einig: Das Rasentennis ist auch heute noch ein bisserl ein anderer Sport – wenn nicht in dem Ausmaß wie früher. „Bewegungstalente wie Novak Djokovic tun sich generell leichter. Aber das Gefühl für den Rasen hat man, oder eben nicht. Schnell erlernbar ist es nicht“, sagt Melzer. Das Problem ist: Die Rasensaison ist viel kürzer als die Saisonen auf Sand und Hartplatz. „Es werden vier, fünf Wochen auf Rasen gespielt, das war es dann“, sagt Melzer. „Deshalb wächst die Routine nur über Jahre.“
Dass nicht jeder Wimbledon gewinnen kann, davon zeugt die Siegerliste: Seit 2003 siegten nur vier Herren (Roger Federer, Novak Djokovic, Andy Murray und Rafael Nadal). Rekordsiegerin bei den Frauen ist Martina Navratilova (9), die im Spiel nichts an der Grundlinie hielt.
Selbstvertrauen gefragt
Neben der Routine braucht es auch „viel Selbstvertrauen“, sagt Antonitsch. „Auf Rasen ist es schwieriger, über Kampfgeist ins Spiel zu kommen.“ Einen solchen hatte Dominic Thiem 2016 bei seinem einzigen Rasentitel in Stuttgart mitgebracht.
2017 stand der Niederösterreicher in Wimbledon auch im Achtelfinale, heuer ist er erstmals seit 2019 wieder dabei. „Der Rasen ist seit damals wieder etwas zügiger“, sagt Österreichs Topmann, der am Dienstag gegen den Weltranglisten-Fünften Stefanos Tsitsipas gefordert und in der Außenseiterrolle ist. Gegen den Griechen hat er heuer in Madrid erst hauchdünn verloren. Kein Vergleich. „Der Rasen ist schneller und nimmt keinen Spin an“, sagt Thiem, der offensiv bleiben will.
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