Eine Überraschung ist für Top-Trainer Günter Bresnik nur Safiullin. "Rublew und Medwedew haben ja auf Rasen schon gut gespielt und können mit diesen Bedingungen gut umgehen. Sie sind schnell im Schädel, haben eine gute Technik und sind richtige Wettkämpfer." Die Chance auf den ersten russischen Wimbledon-Sieg bei den Männern lebt. Bei den Frauen wurde das erst 16-jährige Wunderkind Mirra Andrejewa gestern im Achtelfinale gestoppt: Die Russin unterlag nach klarer Führung US-Spielerin Madison Keys 6:3, 6:7, 2:6. Landsfrau Jekaterina Alexandrowa verlor am Montag 4:6, 0:6 gegen die Belarussin Aryna Sabalenka, deren Landsfrau Viktoria Asarenka bis ins Achtelfinale kam.
In einigen Partien merkt man die angespannte Situation. Auch am Sonntag gab es ein Bild, das zuletzt keine Seltenheit war. In diesem Fall verweigerte die Ukrainerin Elina Switolina bei ihrem Krimi-Sieg gegen Asarenka den obligatorischen Handschlag und kassierte Buh-Rufe. "Solange russische Truppen nicht die Ukraine verlassen und wir uns unsere Territorien zurückgeholt haben, mache ich keine Handshakes. Das ist mein Statement. Ein solches erwarte ich mir auch von den Tennis-Organisationen", erklärt Switolina.
Russen und Belarussen durften nach dem umstrittenen Ausschluss im Vorjahr wieder antreten, allerdings mussten sie eine Deklaration unterschreiben, dass sie gegen den Krieg und die Vorgangsweise Putins sind. Eine Nähe zum Diktator (ähnlich ist die Situation bei den Belarussen) ist ohnehin keinem Profi nachzusagen, fast alle leben und trainieren im Ausland – bei besten Bedingungen, was auch ein Schlüssel zum Erfolg ist. Und fast alle beteuern stets, den Frieden zu wollen.
Sabalenka nannte das üble Kind sogar beim Namen: "Ich unterstütze keinen Krieg, das heißt, ich unterstütze Lukaschenko im Moment nicht." Rublew gehen die Ereignisse ans Gemüt. "Man kann nicht so tun, als ob nichts passiert, denn es ist schrecklich." Zuviel plaudern wollen die Profis dann doch nicht. Sie werden, auch um sie vor Sanktionen aus der Heimat zu bewahren, zudem von den Medien-Verantwortlichen des Turniers geschützt.
Diese schaut für das russische (und auch belarussische) Tennis mehr als nur trist aus. Im März 2022 wurden die beiden Nationen vom Weltverband (ITF) mittels Abstimmung aller Landespräsidenten von allen Bewerben ausgeschlossen. Sie dürfen keine Länderspiele bestreiten, es dürfen auch keine Verbandsfunktionäre zu Turnieren fahren. Die Spieler selbst können unter neutraler Flagge starten.
"Russland war eine Tennis-Großmacht, wurde aber durch den Ausschluss 20 Jahre zurückgeworfen", sagt Thomas Hammerl, Geschäftsführer des europäischen Tennisverbandes. "Wenn man die Länder wieder zurückholt, müssen erneut zwei Drittel aller Nationen weltweit zustimmen. Gegenwärtig ist dies unvorstellbar, selbst, wenn der Krieg wider Erwarten bald vorbei ist." Die Ablehnung einiger Bosse sei einfach zu groß. Und so lange ist den Spielern der Verband als Nährboden entzogen.
Besonders hart trifft es Spieler aus der zweiten Reihe, abseits der ATP-Tour. Ein anderes Problem stellen Visa dar. "Stars wie Medwedew oder Rublew bekommen immer eines, aber 90 Prozent aller Russen dürfen in etliche Länder nicht einreisen", sagt Hammerl. Diese Spieler würden dann in umliegenden Ländern wie in Nationen der ehemaligen Sowjetunion spielen oder in der Türkei. "Wir sind seit Monaten mit Anträgen von russischen und belarussischen Spielern beschäftigt, die für eine andere Nation spielen wollen, das betrifft vor allem Jüngere."
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