Günter Bresnik: Es gibt Trainer, die schon jetzt jeden Aufschlag des Spielers mit geheimen Zeichen vorgeben. Schrecklich eigentlich. Ein Trainer soll seinen Spieler so weit ausgebildet haben, dass er eigenständig ein Match bestreiten und gewinnen kann. Das ist doch eine wesentliche Facette des Tennisspiels. Diejenigen, die das schon jetzt über Gebühr strapaziert haben, für die wird es zum Nachteil, wenn jetzt alle die Möglichkeit dazu haben. Zumindest in diesem Punkt herrscht nun Chancengleichheit. Andererseits ...
Andererseits?
Wenn erwachsene Menschen, gestandene Profis, nicht wissen, was sie zu tun haben, ist das doch beschämend. Auch für den Trainer übrigens. Dass Jugendliche auf dem Weg zum Profi Taktik noch erlernen müssen und einen direkten Ansprechpartner auf dem Platz haben, finde ich aber richtig.
Werden Sie es bei Ihren Spielern machen?
Wenn es der Spieler will, natürlich. Wenn mich ein Schützling etwas fragt, wird er kurz und bündig eine Antwort bekommen. Aber ich werde ihn nicht ständig zuquatschen im Match. Ich erwarte von Spielern, mit denen ich länger zusammenarbeite, selbst draufzukommen, dass sie einen kurzen Ball spielen sollten, wenn der Gegner dauernd meterweit hinter der Grundlinie steht. Ich mag Spieler, die selbst draufkommen, dass sie sich beim Rückschlag etwas anders positionieren sollten, um erfolgreich zu sein.
Wird das den Tennissport verändern?
Nicht grundlegend, zumindest hoffe ich das. Aber es besteht die Gefahr, dass die Faszination etwas leidet. Superstars sollten nicht auf Coaching während des Matches angewiesen sein. Das macht auch den Reiz dieser Sportarten aus. Tennis wird gerne mit Schach verglichen. Stellen Sie sich vor, jeder Schachprofi hat eine Stimme im Ohr, die den nächsten Zug ansagt. Undenkbar. Tennisspieler werden medial gerne als Gladiatoren aufgebaut, die auf sich alleine gestellt in eine Arena einziehen. Und dann sollen sie ferngesteuert werden? Keine schöne Vorstellung. Helden werden so zu Marionetten.
Können Sie sich an Spiele Ihrer Schützlinge erinnern, bei denen Coaching während des Matches den Ausgang beeinflusst hätte?
An einige. Mir fällt sofort die Achtelfinalpartie ein von Stefan Koubek 1999 bei den French Open gegen Alex Corretja. Stefan hat zwar in drei Sätzen verloren, hätte im dritten Satz aber die Chance gehabt, das Spiel zu drehen. Corretja war körperlich stark angeschlagen. Mit einfachen Mitteln hätte man die Partie in eine ganz andere Richtung lenken können. Aber wie gesagt: Wenn ein Profi das nicht selbst erkennt, hat er es vielleicht auch nicht verdient, zu gewinnen.
Welcher Ihrer Schützlinge hatte taktisches Coaching am wenigsten nötig? Könnte Dominic Thiem von der neuen Regel profitieren?
Dominic hat eigentlich immer genau gewusst, was er auf dem Platz zu tun hat. Ich mag prinzipiell Leute, die sich nicht ewig lang Gedanken machen müssen, was der andere macht. Deren Spiel so dominant ist, dass der Gegner reagieren muss. Wenn bei Dominic der Aufschlag und die dominante Vorhand funktioniert haben, war das Spiel schon fast gewonnen. Auch Boris Becker war immer ein unglaublich guter Matchspieler, der mir noch viel beigebracht hat.
Was meinen Sie damit?
Spannend ist für einen Trainer, wenn dir ein Spieler nach dem Match erklärt, warum er welche taktischen Mittel verwendet hat. Da lernt ein guter Trainer oft mehr vom Spieler als umgekehrt. Ich sehe einen Tennistrainer als eine Art Erzieher, der auch den Charakter so weit formt, dass man alleine überlebensfähig ist.
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