Doppel-Spezialist Lucas Miedler: "Die Mitte ist der wunde Punkt"

Im September gewann Miedler (re.) mit Cabral das Turnier in Hangzhou.
Titelverteidiger Lucas Miedler spricht vor den Erste Bank Open über das Spezielle am Doppel, seine Ziele und die Kritik von Alexander Bublik.

Lucas Miedler gewann mit Ex-Partner Alexander Erler  2022 und 2024 den Doppelbewerb der Erste Bank Open. Seit April 2025 spielt der Tullner mit dem Portugiesen Francisco Cabral. Im Interview gibt der 29-Jährige  Einblick in das Leben eines Doppel-Spezialisten.

KURIER: Sie kamen zuletzt in Stockholm ins -Viertelfinale. Wie ist Ihre aktuelle Form?
Lucas Miedler: Grundsätzlich spielen wir eine sehr gute Saison. Die letzten Woche sind leider nicht ganz so gut gelaufen. Wir haben in Asien zweimal die erste Runde knapp verloren. Das war nicht erfreulich. Vor allem in Tokio – die Partie war, wenn du es mit Fußball vergleichst, so, als würdest du 30 Mal aufs Tor schießen und der andere gewinnt 1:0. Wir hatten 14 Breakbälle und keinen genutzt. Davor haben wir aber in Hangzhou gewonnen, das war sehr gut.

Welche Erwartungen haben Sie für die Erste Bank Open?
Ich bin Titelverteidiger in der Stadthalle. Heuer spielen wir aber in der Marxhalle, das ist etwas Neues. Für den Francisco ist das nicht der Lieblingsbelag, aber ich glaube trotzdem, dass wir die Qualität haben, gut zu spielen.

 Wie sind Sie zum Doppel-Spezialisten geworden?
Ich bin grundsätzlich Tennisspieler, aber im Doppel hat es einfach besser funktioniert. Ich habe immer schon Doppel gespielt, auch schon in der Jugend. Ausschlaggebend war, dass wir 2022 Wien gewonnen haben und mein Doppelranking dann viel besser geworden ist als mein Einzelranking. Anfang 2023 habe ich mein erstes Grand Slam im Doppel gespielt. Dann haben wir im Februar Acapulco gewonnen. Beim Doppel war ich dann bei den Masters und Grand Slams dabei – im Einzel hätte ich noch Challenger oder Futures spielen müssen. Ende 2023 war dann klar: Jetzt geht’s voll aufs Doppel.

 Was gefällt Ihnen besonders am Doppel-Spiel?
Ich habe immer gut volliert und Ansätze gehabt, die fürs Doppel gut sind. Es hat aber alles Vor- und Nachteile. Im Einzel planst du nur für dich, im Doppel musst du Rücksicht nehmen. Dafür ist es besser, wenn man sich auch außerhalb des Platzes versteht – dann ist das viele Reisen einfacher. 

 Was zeichnet einen guten Doppelspieler aus?
Es gibt verschiedene Spielertypen. Insgesamt finde ich es besser, wenn du einige Dinge richtig gut kannst, als alles nur Durchschnitt. Im Vergleich zum Einzel, wo es bei den heutigen Belägen insbesondere wichtig ist, harte Grundschläge mitzubringen, gibt es im Doppel mehr Varianten erfolgreich zu sein. Da, wo du stark bist, brauchst du richtige Waffen. 

Wie trainiert man Reaktionsschnelligkeit im Doppel?
Ich habe relativ gute Reflexe, aber ich stelle mich trotzdem im Training hin und lasse mich voll anschießen. Am Anfang muss man sich überwinden, aber es gehört dazu – im Match nimmt auch keiner Rücksicht auf dich. Mehr Wiederholungen machen dich besser – Tennis ist ein Wiederholungssport.

Wie funktioniert die Kommunikation zwischen den Spielern auf dem Platz? Macht ihr euch Zeichen aus? 
Ja, die Basis ist immer gleich. Bei Aufschlägen wird mit Zeichen die Richtung angezeigt. Jedes Team hat dann aber eigene Varianten. Das entwickelt sich mit der Zeit. Wir haben auch mit den Basissachen angefangen, dann kamen zwei, drei Zeichen dazu. Kommunikation ist extrem wichtig.

Und während des Ballwechsels oder zwischen den Punkten – wie wichtig ist da das gegenseitige Pushen?
Jeder ist da unterschiedlich. Es gibt ruhige Typen, die brauchen wenig. Wir leben sehr von unserer Energie. Wenn Francisco hohe Energie hat, hebt das sein Level. Man pusht sich gegenseitig, versucht, positiv zu bleiben.

Gebt ihr euch da auch taktische Tipps während des Matches?
Ja, situativ. Aber du willst dem Partner nicht zu viel Input geben, damit er seine Stärken behält. Es ist ein schmaler Grat. Wenn du dich gut verstehst, weißt du, was du sagen kannst. Wenn ich merke, er fühlt sich nicht gut, halte ich mich mit Input zurück. Aber bei klaren Situationen wie wenn ich am Netz bin sage ich schon etwas, zum Beispiel beim Aufschlag: ’Der deckt oft die Vorhand ab, spiel lieber auf die Rückhand.’ Wichtig ist, dass man trotzdem dem Partner Freiraum lässt.

Wie ist das mit dem Winkelspiel im Doppel? Wie erklären Sie einem Laien, warum nicht öfter das breitere Feld ausgenützt wird? 
Weil du damit dein eigenes Feld öffnest. Wenn ich von rechts Slice nach außen serviere, gebe ich viel Raum frei. Serviere ich durch die Mitte, halte ich das Feld kompakter. Das sind taktische Feinheiten, die du mit der Zeit lernst. Im Doppel gibst du ungern Winkel her, weil du sonst offene Räume schaffst. Man muss gut überlegen, wann man das macht.

Was meinen Sie genau mit „Winkel hergeben“?
Wenn du extremer in die Ecke spielst, hat der Gegner einen größeren Winkel zurück. Zum Beispiel in einer Vorhand-Crossrally: Wenn ich zu weit rausgehe, muss mein Netzpartner nach außen rücken, dadurch wird die Mitte offen. Also lieber etwas mittiger spielen, damit sich der Partner besser aufbauen kann. Es ist viel Taktik dabei. Du wählst lieber eine unspektakuläre Variante, die acht von zehn Mal erfolgreich ist, als den Highlight-Schlag, der gut aussieht, aber nur zweimal klappt.

Also ist die Mitte im Doppel entscheidend?
Ja, total. Die Mitte ist oft der wunde Punkt. Einer muss verschieben, aber wenn einer zu viel verschiebt, öffnet er das Feld wieder. Ich gebe tendenziell lieber den schwierigeren Winkel auf. Wenn du die Mitte kontrollierst, bist du meist in einer guten Position. Es geht nicht immer darum, sofort zu gewinnen – manchmal bereitest du den Punkt vor, wie ein Boxer, der sich den Gegner zurechtlegt und dann zuschlägt.

Bei den Grand-Slam-Turnieren war bisher die zweite Runde Ihr bestes Ergebnis. Liegt darauf für 2026 das Hauptaugenmerk?
Ja, klar. Das muss das Ziel sein. Heuer waren wir oft knapp dran, teilweise gegen starke Teams wie Granollers/Zeballos oder Cash/Glasspool. Das sind Paarungen, die du nicht jedes Mal schlägst. Aber um weiter nach vorne zu kommen, musst du deine Chancen nutzen. Wir haben heuer schon viel erreicht und sind inzwischen sogar bei Masters-Turnieren gesetzt – das sind Schritte in die richtige Richtung.

Alexander Bublik kritisierte das Doppel.

Alexander Bublik kritisierte das Doppel.

Alexander Bublik hat sich sehr abfällig über das Doppel geäußert. Was sagen Sie dazu?
Es ist ein heikles Thema. Ich bin kein Fan der Aussagen von Herrn Bublik – er ist ein unglaublicher Tennisspieler, keine Frage. Aber wenn er meint, Doppel spiele man nur, wenn man im Einzel scheitert, ist das seine Meinung. Wenn ich mir die Top-Spieler im Doppel ansehe: Das sind viele ehemalige Einzelspieler, viele mit großartigen Karrieren. Das widerlegt seine Aussage. Ich sehe die Diskussion aber nicht als „Einzel gegen Doppel“. Das Einzel wird immer die Königsdisziplin sein. Aber aus meiner Sicht ist das Doppel, insbesondere live, extrem attraktiv, weil es so schnell ist. Ich glaube, dass das Produkt „Doppel“ mit richtiger Vermarktung noch viel Potenzial hätte. 

Die US Open haben mit einem Mixed-Event experimentiert. Eine gute Idee?
Aus Veranstaltersicht war das ein Riesenerfolg. Die Stadien waren voll. Natürlich – das war ein Show-Event, weil dort viel Geld im Spiel war und die Stars deshalb mitgemacht haben. Aber gewonnen haben trotzdem Doppelspieler. Also zeigt das, dass Qualität zählt. Ich finde solche Events gut, aber sie sollten das traditionelle Doppel nicht ersetzen. Beides kann nebeneinander bestehen.

Stimmt es, dass Sie in New York im traditionellen Mixed-Bewerb dabei gewesen wären, wenn nicht der neue Show-Event eingeführt worden wäre?
Ja, wäre es sich ausgegangen. Ich hatte schon zweimal Pech – einmal wurde in Wimbledon das Raster verkleinert, jetzt wurde das normale Mixed-Event ganz gestrichen. Es ist schade, auch finanziell, weil es ein schöner Anreiz war. Wenn du das viermal im Jahr Mixed spielst, ist das nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich interessant.

 

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