Abschied von Tennis-Star Thiem: Die letzten Sätze einer großen Geschichte
Dominic Thiem wird am Dienstagabend wohl das letzte Match seiner Karriere spielen. Der 31-Jährige tritt als Superstar ab, obwohl noch ein bisschen mehr gegangen wäre.
Es wird wohl der letzte Aufschlag in einer beeindruckenden Karriere sein. Wann soll die Geschichte ein Ende nehmen, wenn nicht an einem „Thiemstag“, wie er in der Wiener Stadthalle mittlerweile zur Tradition geworden ist? Dominic Thiem trifft dort, quasi in seinem Wohnzimmer, bei den „Erste Bank Open“ auf den Italiener Luciano Darderi (nicht vor 18 Uhr, ORF 1, Servus TV) und wird sich, sofern ein Tennis-Wunder ausbleibt, vom Turnier, dem aktiven Tennissport und vor allem den Fans verabschieden.
Bleiben werden unvergessliche Spiele, einige heftig umkämpfte Finalmatches, die nicht nur den Protagonisten Schweiß und Nerven kosteten, ein unnachahmlicher Stil mit Hang zur Ästhetik, eine Rückhand longline als Signature-Schlag – und freilich ein Grand-Slam-Triumph. Selbst Novak Djokovic meint in weiser Voraussicht: „Man wird sich an ihn erinnern.“
Über den Sieg der US Open äußerte sich Thiem vor Kurzem auf interessante Art und Weise in einer Fachzeitschrift: „Ich dachte, dass ein Sieg bei einem Grand Slam mein Leben komplett verändern würde. Aber das war nicht der Fall. Wenn ich zurückblicke, muss ich gestehen, dass ich dem zu viel Bedeutung geschenkt habe.“ Nach dem Titel von New York im September 2020 fiel der Niederösterreicher mental in ein Loch, wie er wiederholt zugab. Während solch ein Titel für viele andere Spieler wie eine Befreiung wirkte und sie zu weiteren Höhenflügen anspornte, bleibt dieser Triumph bei Thiem eine Einzigartigkeit.
Und sein Abstieg begann bereits vor der Handgelenksverletzung, die er sich beim Rasenturnier auf Mallorca am 22. Juni 2021 zugezogen hat. Ende 2020 stand Thiem noch einmal im Endspiel der ATP-Finals, in der ersten Jahreshälfte 2021 gelang wenig. Auch die Corona-Zeit, er triumphierte im Big Apple vor leeren Rängen, hat ihn nachhaltig beschäftigt. Thiem ‚hatte kein Konzept mehr, nach der Handgelenksverletzung verschob er gefühlte 100 Mal sein Comeback, ehe er im März 2022 zurückkam. Warum er die alte Form nie wieder so richtig fand?
Die Hintergründe dafür liegen auf der Hand: Thiem hat sich nach seinem Comeback eine Schonhaltung angewöhnt. Nach schwierigen Zeiten lief es eine Phase lang sogar wieder recht gut, wie im zweiten Halbjahr 2023. Doch die Schonhaltung griff immer mehr durch, mit dem Ergebnis, dass Thiem 2024 kaum mehr auf Touren kam. Diese Haltung wieder umzustellen, hätte ebenfalls wieder Jahre gedauert.
Ein Fakt, der grundsätzlich viel Geduld beim Spieler und dessen Trainern erfordert. Müßig darüber zu diskutieren, ob in diesem Bereich vielleicht nicht konsequent genug gearbeitet wurde.
Das Jahr 2020 war in vielerlei Hinsicht entscheidend in der Karriere von Dominic Thiem. „2020 steht über allem und auch über allem anderen in meiner Karriere.“ Zu Jahresbeginn stand er im Finale der Australian Open und hätte Djokovic beinahe in die Knie gezwungen.
Der Serbe wackelte schon, doch Thiem konnte ihn nicht vom Thron stoßen. Der 31-Jährige war in diesem Jahr die Nummer 3 der Welt und der einzige Spieler, der die großen Drei – Federer, Nadal und Djokovic – regelmäßig bezwingen konnte.
Einziges Manko
Mittlerweile ist die nächste Generation mit Jannik Sinner und Carlos Alcaraz schon längst an ihm vorbei gezogen und fordert nicht nur Djokovic heraus, sondern löst ihn mittlerweile ab als bester Tennisspieler der Welt. Federer befindet sich bereits im Ruhestand, Thiem stellt in dieser Woche den Pensionsanspruch, sein früherer Sandplatz-Konkurrent Rafael Nadal wird in einem Monat „Adios“ sagen.
Mit dem Spanier verbinden Thiem zwei Endspiele bei den French Open, 2018 und 2019. Der „Prinz“ konnte dem Sandplatzkönig dessen Rang aber nicht ablaufen. Thiems Manko: Als zweitbester Sandplatz-Spieler der Welt gelang es ihm nie, auf seinem Lieblingsbelag zu triumphieren, er gewann weder ein Grand-Slam- noch ein 1.000er-Turnier.
Kommentare