Djokovic fühlt sich als Sieger - doch gewonnen hat er noch nicht
Im Schauspiel rund um Novak Djokovic will der Vorhang einfach nicht fallen. Vorerst jedenfalls. Und die Darbietung wird immer grotesker, wie eine Pressekonferenz von Mama, Papa und Bruder Djokovic am Montagnachmittag unter Beweis stellte. „Den größten Sieg seines Lebens“, hätte Djokovic gefeiert.
Doch die Entscheidung, ob Novak Djokovic in der kommenden Woche tatsächlich an den Australian Open teilnehmen darf, zieht sich. Die nächsten Tage müssen Klarheit bringen. Dem 20-fachen Major-Sieger war am Mittwochabend die Einreise am Flughafen in Melbourne verweigert worden. Er konnte aus Sicht der Behörden nicht die nötigen Dokumente für eine medizinische Ausnahmegenehmigung vorlegen, auch ohne Corona-Impfung einreisen zu dürfen.
Sieg im Gericht
Im Commonwealth Law Courts Building von Melbourne ist Djokovic ein erster wichtiger Sieg gelungen, seinem Einspruch gegen die Verweigerung seiner Einreise nach Australien wurde stattgegeben. Richter Anthony Kelly hatte im ersten Teil der Verhandlung am Montag, in der die Anwälte von Djokovic ihre Sicht der Dinge darlegten, erklärt, er halte das Verhalten der Behörden für unverhältnismäßig. „Was hätte dieser Mann noch mehr tun können?“, hatte Kelly gesagt. Familie Djokovic nutzte dies zu einer Inszenierung mittels einer Pressekonferenz. Umgeben von den Trophäen ihres Sohnes, sprachen die Eltern mit Pathos und Nationalismus von widerfahrener Gerechtigkeit und Genugtuung für die Familie.
„Wir sind hier, um den Sieg unseres Sohnes zu feiern. Es ist sein größter Grand-Slam-Sieg. Wir standen noch nie vor so einer Situation. Gott seid Dank gibt es noch Gerechtigkeit auf diesem Planeten.“
Wie geht es weiter?
Vorerst darf sich Djokovic in Melbourne frei bewegen. Der 34-jährige Serbe durfte das Abschiebehotel verlassen und trainierte am Montag bereits mit seinem Coach Goran Ivanisevic in der Rod Laver Arena und postete von dort auch ein Foto mit dem Text: „Trotz allem möchte ich hier bleiben, und am Turnier teilnehmen. Ich bleibe konzentriert.“
Was bedeutet die Causa sportlich für Djokovic?
Während Djokovic tagelang im Hotel sitzen musste, schwang Rafael Nadal das Racket und brachte sich mit einem Turniersieg auf Betriebstemperatur für die Australian Open. Allerdings wird ein Topspieler wie Djokovic eine mehrtägige Quarantäne sportlich gut wegstecken. „Er hat eben eine Trainingspause von vier oder fünf Tagen. Er war vorher gut vorbereitet und hat im besten Fall noch vier, fünf Tage, um sich gut vorzubereiten“, sagt Jürgen Melzer. Der langjährige Profi und Sportchef des Österreichischen Tennisverbandes ortet aber ein anderes Problem. „Die Frage ist, wie er es mental verarbeitet. Das ständige Hin und Her strapaziert die Nerven.“ Boris Becker, ehemaliger Coach von Djokovic, meint, dass dieser „bei unter null beginnen muss“.
„Körperlich fängt er bei unter null an. Auch das australische Publikum wird ihn sicherlich nicht gerade freundlich empfangen. Er besteigt den Mount Everest. Aber wenn einer das Unmögliche schafft, dann ist es Djokovic.“
Warum gibt es keine klare Linie in Sachen Impfung für Spieler?
Den Spielergemeinschaften ATP (Herren) und WTA (Damen) sowie der Tennis-Weltverband (ITF) sind die Hände gebunden. Auch in Zukunft. In allen Statuten ist festgehalten, dass in solchen Fällen das Land über Einreisebestimmungen entscheidet. Das heißt: Weder ITF noch ATP und WTA können eine Impfpflicht vorschreiben, „da würden wir beispielsweise im Großteil Europas gegen EU-Richtlinien verstoßen“, sagt Thomas Hammerl, Geschäftsführer Tennis Europe. „Die Spieler sind keine Angestellten, sondern Freiberufler“, sagt Jürgen Melzer.
Könnten Turnierveranstalter ungeimpfte Spieler ausladen?
Nein, dies ist nahezu unmöglich. Immerhin finden die Turniere mit ATP- und WTA-Lizenzen statt. „Im Extremfall kann sich das Turnier mit der Regierung kurzschließen, aber im Normalfall ist ein solches Vorgehen nicht möglich“, sagt Peter-Michael Reichel, der Veranstalter des Linzer Damen-Turniers. „Wir schließen uns Corona betreffend immer mit dem Bund zusammen“, sagt auch Alexander Antonitsch, der Turnierboss in Kitzbühel. Und zu Djokovic? „Es gibt nur Verlierer in dieser Causa. Das wäre alles nicht gewesen, wenn Djokovic geimpft wäre. Denn alle anderen Einzel-Spieler in den Hauptbewerben bei Damen und Herren sind es.“ Lediglich die tschechische Doppelspezialistin Renata Voracova ist ungeimpft.
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