Normalerweise geht Barbara Schett im Oktober in der Linzer TipsArena ein und aus. Durch das Coronavirus wurde der Terminkalender durcheinander geschleudert und das Linzer Turnier landete im November. Seit Jahren ist die Tirolerin, in aktiven Zeiten als ehemalige Nummer sieben Österreichs beste Spielerin der Geschichte, als Turnierbotschafterin beim größten Damen-Turnier des Landes im Einsatz.
Die 45-Jährige fühlt sich schon wie daheim. „Lass uns nach oben gehen, zu den gemütlichen Plätzen, wo man am besten plaudern kann“, führt sie durch die Halle. Schett, die im Jänner für Eurosport bei den die Australian Open wieder vor Ort kommentieren wird, nimmt entspannt Platz und spricht über ...
... die triste Situation im österreichischen Damen-Tennis
Ich bin dazu etwas zu weit weg. Aber ich glaube, dass der Verband jetzt mit einer Mädchengruppe gut reagiert, daraus kann etwas werden. Zu meiner aktiven Zeit hatten wir auch eine Gruppe mit fünf, sechs Spielerinnen. Damals haben wir uns gegenseitig gepusht. Ich kann mich erinnern, dass ich auch immer die Beste sein wollte, das war ein gesunder Konkurrenzkampf.
Wichtig ist, dass wir Trainer haben, die selbst am Platz gestanden sind. Bei den Jüngsten ist dies nicht ganz so wichtig, aber bei den Älteren ist es notwendig, Trainer zu haben, die wissen, was auf dem Platz passiert. Das kann unter Jürgen Melzer als Sportdirektor gut klappen.
... Julia Grabher, die in Linz der ehemaligen Top-Ten-Spielerin Alize Cornet am Montag ein gutes Match lieferte und knapp verlor
Sie hat großes Potenzial, kann durchaus Top 50 werden und sich auf der Tour etablieren. Ich bezweifle aber, dass es jemals für mehr reicht, dafür spielt sie zu durchschaubar.
... die Unterschiede zwischen den Herren, wo Djokovic, Nadal und Federer jeweils 20 Grand-Slam-Turniere gewinnen konnten, und den Damen, wo ständig neue Siegergesichter auftauchen
Es ist eine brillante Mischung, für das Produkt Tennis ist das sensationell. Allerdings findet auch bei den Herren eine Wachablöse statt, wie man zuletzt beim Wiener Turnier gesehen hat. Das heiß nicht, dass die großen drei nichts mehr gewinnen werden. Interessant war, dass der Sieg von Emma Raducanu bei den US Open mehr TV-Zuseher hatte, als der vergebliche Versuch von Novak Djokovic, den Grand Slam zu holen.
... das Comeback von Dominic Thiem und seine späte Impfung
Er hat das Zeug, wieder nach vorne zu kommen. Ich glaube, dass er auch in der Auszeit realisieren konnte, wie kurz ein Tennis-Leben ist. Anfang des nächsten Jahres wird er es noch sehr schwer haben, aber in der Sandplatz-Saison im Frühjahr traue ich ihm schon einiges zu. Dass er sich länger nicht impfen ließ, habe ich nicht verstanden. Als ich die erste Impfung hatte, machte ich einen Freudensprung.
... ein Antreten bei den Australian Open von Djokovic, der zuletzt offen gelassen hat, ob er gegen Corona geimpft ist
Ich glaube persönlich, dass er sich eine Teilnahme nicht nehmen lässt. Djokovic polarisiert, er ist ein anderer Typ als Rafael Nadal oder Roger Federer. Er findet oft nicht die richtige Wortwahl, ich habe auch oft andere Ansichten. Aber er ist zumindest eine Persönlichkeit und nicht so farblos wie einige andere Spieler.
... über ihre aktive Zeit und den Unterschied zur Gegenwart, in der die Sozialen Medien eine immer größere Rolle einnehmen
Ich bin froh, dass ich in meiner Karriere nichts mit Sozialen Netzwerken zu tun hatte. Es ist alles so schnelllebig geworden. Sinja Kraus zum Beispiel hat in Linz nach ihrer klarer Erstrundenniederlage (1:6, 0:6, Anmerkung) am Montag 40 böse Nachrichten bekommen. Wichtig ist, dass man selbst fokussiert bleibt, negative Kritiken gab’s ja immer, aber man darf sich dadurch nicht ablenken lassen. Vielleicht war dies auch mitentscheidend für den Zusammenbruch von Naomi Osaka.
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