„Kennst du das, wenn Kinder ein Blatt im Wasser schwimmen sehen und sie versuchen, es mit einem Stein zu treffen? Das ist es, was Schießen für mich bedeutet und was die Motivation dahinter ist.“ Österreichs Olympia-Schütze Martin Strempfl nimmt uns im persönlichen Interview mit in seine Welt aus Familie, Imkerei, Falknerei, dem Beruf als Koch und seiner größten Leidenschaft – dem Schießsport.
KURIER: Wie kamen Sie zu Ihrer Paradedisziplin?
Martin Strempfl: Mein Vater war ebenfalls ein begeisterter Sportschütze, und durch ihn bin ich dazu gekommen. Als ich klein war, ging ich zwei Jahre lang ins Ballett, weil meine Schwester das machen wollte und meine Mama den gleichen Weg gehabt hat. Ich profitiere sogar heute noch davon und kann immer noch ein Rad schlagen (lacht).
Was sind die Herausforderungen Ihres Sports?
Ich schieße ja mit meinem Luftgewehr auf ein Ziel, das zehn Meter entfernt ist. Die Rahmenbedingungen sind immer gleich. Die große Schwierigkeit ist es, zum einen sich teilweise über eine Stunde lang völlig zu konzentrieren und zum anderen möglichst ruhig zu stehen. Das ist gar nicht so einfach, da braucht man vor allem die feine Muskulatur.
Was hat Sie das Schießen gelehrt?
Der Sport fördert nicht nur die Konzentration, sondern auch die emotionale Kontrolle. Wenn ich einen schlechten Schuss habe, wird der nächste nicht besser, wenn ich mich darüber ärgere. Ich muss es schaffen, das abzuhaken und mich wieder auf mich selbst zu konzentrieren. Das Lernen schon die Kinder! Schießen ist für mich ein wohltuender Ausgleich. Wenn ich ins Training fahre, dann weiß ich, die nächsten zwei Stunden hab’ ich nur für mich, und da denke ich dann an nichts anderes.
Viele junge Menschen haben ja eher eine geringe Aufmerksamkeitsspanne.
Ja, aber im Training lernen sie wieder, sich zu konzentrieren. Der Schießsport schafft in dieser so schnelllebigen und hektischen Zeit einen Gegenpol, sowohl für mich als Sportler als auch für die Zuschauer. Man wird zum Abschalten gezwungen, und ich glaube, dass wir als Gesellschaft wieder lernen müssen, uns nur auf eine einzige Sache zu konzentrieren. Das Multitasking ist einfach nicht gut für uns.
Das Image des Schießsports ist eher negativ behaftet.
Es stimmt, es ist oft das Vorurteil da mit Gewalt und Waffen. Wenn ich von meinem Sport das gleiche Bild im Kopf hätte wie viele Menschen, würde ich meine Kinder das auch nicht machen lassen. Leider haben die Leute oft ein falsches Bild vom Schießsport. Das Schießen ist ein sehr breites Thema, es wird geschossen im Krieg und in der Jagd, was auch mit Tod in Verbindung gebracht wird. Das Sportschießen ist aber eigentlich die andere Seite, da geht’s darum, dass ich eine Scheibe, ein Ziel treffe. Der Schießsport hat natürlich die Aufgabe, das schlechte Image aufzubessern, und da ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig.
Wie denken Sie über das Argument, eine Pistole zu Selbstverteidigungszwecken zu besitzen – wie es in Amerika oft der Fall ist?
Um sich mit so einer Waffe zu verteidigen, muss man schon richtig viel können, dass das einen Sinn ergibt. Ich kenne keinen Sportschützen, der das beherrscht. Das hat mit dem olympischen Sportschießen nichts zu tun. Ich würde mir keine Pistole zur Selbstverteidigung zulegen. Meine Angst, dass dabei etwas passiert, ist viel größer als die Wahrscheinlichkeit, dass da ein Einbrecher kommt.
Was haben Sie umgestellt, um bestmöglich für Olympia gerüstet zu sein?
Ich bin jetzt zum Beispiel selbst wieder beim Heeressport, um mich optimal vorzubereiten. Das hat mir sehr geholfen, und ich könnte mir die Sportwelt in Österreich nicht vorstellen ohne die Sportförderung des Bundesheers.
Der Bewerb im Schießen ist bei den Sommerspielen fast der gleiche wie bereits 1964 in Tokio.
Das ist wirklich etwas ganz Besonderes. Es wurden nur ein paar Kleinigkeiten von damals geändert. Schießen ist seit den ersten Spielen der Neuzeit vertreten, denn der Gründer Pierre de Coubertin war selbst begeisterter Pistolenschütze.
Was macht für Sie den olympischen Spirit aus?
Dass man mit anderen Sportarten und Athleten zusammenkommt. Man lernt zwar auch durch internationale Bewerbe und durchs Bundesheer immer verschiedene Leute kennen, aber bei solchen Großereignissen trifft man auch endlich wieder Freunde, die man schon lange nicht mehr gesehen hat. Man hat viele Bekanntschaften auf der ganzen Welt, und das entschädigt für ganz vieles.
Würden Sie jedem eine Sportkarriere empfehlen?
Ich bin an vielen Orten gewesen, wo ich ohne den Sport nie hingekommen wäre. Sport ist eine tolle Sache, die ich jedem jungen Menschen empfehlen kann. Das eröffnet neue Möglichkeiten, auch wenn man es nicht ewig machen kann und man nicht das ganz große Geld damit verdienen wird, denn das tun ja nur die wenigsten.
Das geht nur mit der richtigen Unterstützung, oder?
Ja, ohne den Rückhalt meiner Familie und vor allem meiner Lebensgefährtin würde ich heute nicht hier sitzen. Die müssen mindestens genauso viel dazu beitragen und auf gewisse Sachen verzichten. Meine Lebensgefährtin schaut auf unsere zwei Kinder, und wir bekommen jetzt auch noch Zwillinge. Was sie auf sich nimmt, um mir das zu ermöglichen, ist mindestens gleich wertvoll wie das, was ich im Training erbringen muss.
Was machen Sie dann als Ausgleich zum Sport?
Die Imkerei ist total entspannend, und es macht großen Spaß, eigenen Honig für uns herzustellen. Das mache ich gemeinsam mit dem Opa. Wobei ich nie viel Arbeit hab’, weil ich so wenig da bin. Der Opa schimpft zwar immer mit mir, aber sein größter Wunsch ist es, dass ich wieder gesund heimkomme. Ich stehe auch gerne in der Küche, denn vom Beruf her bin ich Koch und ich habe in einer Cateringfirma gearbeitet. Ein weiteres Hobby ist die Falknerei. Dazu bin ich durch meinen Vater gekommen. Bei der Arbeit mit Habichten, Wanderfalken und Gerfalken lernt man Geduld. Das hilft mir auch im Schießsport.
Und die wird er unter den derzeitigen Bedingungen in Tokio auch brauchen. Am Sonntag um 6 und 8.30 Uhr MESZ steht er in der Asaka Shooting Range am Schießstand.
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