Victoria Hudson: Ich versuche schon, das Leben zu genießen, ich schränke mich da nicht so ein. Außer bei Sachen, die nicht erlaubt sind. Ich werde nicht nach Amsterdam fahren und dort einen Brownie essen. Doping-Kontrolleure können ja jeden Tag vorbeikommen. Abgesehen davon, bin ich ein ganz normaler Mensch.
Es scheint, als wären Sie stolz auf Ihren Körper.
Ja, schon. Es gibt nicht so viele Frauen, die so muskulös sind. Ich bin schon relativ stolz, weil ich meinen Körper eigentlich das ganze Jahr so halten kann, wie er ist. Ich muss nicht sonderlich auf das Essen achten. Ich kann meinen Alltag genießen, ich habe Lebensqualität und ab und zu trinke ich auch Alkohol. Aber ich schaue schon, dass das im Rahmen bleibt. Prinzipiell ernähre ich mich aber das ganze Jahr über ausgewogen. Mein Sixpack ist sichtbar, obwohl ich jeden Tag ein Nutella-Brot esse.
Wirklich? Aber vermutlich ein Vollkornbrot?
Nein. Aber ich backe mein Brot selber.
Speerwerferinnen haben höchst unterschiedliche Körper. Manche Athletinnen haben 30 Kilogramm mehr als Sie. Gibt es den idealen Körper einer Speerwerferin?
Es gibt mehrere ideale Körper, weil die Wurftechnik so entscheidend ist. Manchen Kolleginnen sieht man kaum an, dass sie trainieren. Da sieht man kaum Muskulatur, aber sie werfen extrem weit. Es kommt auch darauf an, wie stark die Sehnen sind, das sieht man nicht von außen. Entscheidend ist natürlich auch die Körpergröße. Aber auch Kleine haben schon sehr weit geworfen.
Gibt es Dinge, die eine Speerwerferin im Alltag nicht machen darf?
Früher habe ich mehr Schulterprobleme gehabt. Da hätte ich es nicht geschafft, im Auto einen Rucksack von der Rückbank zu nehmen, wenn ich vorne sitze. Das geht aber wieder ganz normal. Aber ich würde jetzt vielleicht nicht von einer Mauer runterhüpfen, nur weil es lustig ist.
Ist Ihr Körper symmetrisch?
Nein, sicher nicht. Ich kenne die alten Asterix-Comics mit diesem Speerwerfer. So arg ist es bei mir nicht. Aber ich merke es bei meinen Bauchmuskeln, die sind leicht verschoben und meine rechte Seite ist etwas tiefer. Das ist einfach eine einseitige Belastung, das kann man gar nicht beheben. Der Körper formt sich bei den Trainingsbelastungen immer neu, er verschiebt sich in sich. Aber da kommen keine Verletzungen, Schmerzen oder Probleme dabei raus. Das ist eine langsame Anpassung und die Muskulatur stützt das. Dazu kommt ja das viele Mobilisationstraining. Mein Körper ist eine Einheit, gesund wie er ist, mit den Eigenheiten des Speerwerfens.
Der Wurfarm ist auch muskulöser als der linke Arm?
Er schaut jedenfalls anders aus. Ich habe rechts zum Beispiel eine Ader und links gar nicht. Einfach, weil da wahrscheinlich der Druck größer ist. Das hat sich im Laufe der Zeit ein bisschen verändert.
Was kann eine Speerwerferin noch besonders gut?
Werfen kann ich natürlich schon gut. Football habe ich schon probiert, aber die haben schon eine andere Wurftechnik, weil man da den Arm viel mehr abwinkeln muss. Diskus ist zum Beispiel ganz anders, das ist eine weiche Rotation. Beim Speerwerfen läuft man schnell hin und dann kommt ein abrupter Stopp mit einer explosiven Bewegung, wo ich oben den Druck weiterleite. Das muss man aufeinander abstimmen und das erfordert viel Körpergefühl und es erfordert viel Kraft.
Wie wichtig ist das Krafttraining?
Extrem. Wir machen sehr viel Krafttraining auch mit sehr hohen Gewichten. Sonst würde ich diesen Stoß nicht aushalten. Da kommen Hunderte Kilo auf mein linkes Bein. Das muss halten. Wenn das einbricht, ist es kein Wurf. Man muss stark sein, man muss schnellkräftig sein. Und man braucht natürlich auch eine saubere Technik. Dann kann eine hohe Weite herausschauen.
Wie wichtig ist im Speerwurf die Konzentration?
Vor allem im Training sehr wichtig. Das Training ist dazu da, dass man die Technik bis ins kleinste Detail verfeinert. Da wird dann viel probiert und das ist sehr anstrengend – vor allem für den Kopf. Im Wettkampf sollte es eher automatisiert sein. Im Wettkampf möchte ich nicht zu viel überlegen, sondern einfach anreißen.
Zuletzt gab es hitzige Diskussionen über die extrem freizügigen Olympia-Anzüge der amerikanischen Leichtathletinnen. Haben Sie das verfolgt?
Ja, ich habe diese Sexismus-Vorwürfe auch vernommen und die Fotos von der Frauen-Kleidung gesehen. Diese Diskussionen hat es früher natürlich auch schon gegeben. In der Leichtathletik ist es ja schon lange so, dass Frauen mit Bikini-Hosen über Hürden laufen. Bei den Männern ist das nicht so, eh klar. Wenn der in so einem Hoserl rennen würde, ... das wäre ja ganz arg. Es gibt ja für Frauen auch andere Kleidung, aber viele wollen sich am Wettkampf-Tag schön fühlen – und dann performen sie auch besser. Wenn sie mich aber verpflichten würden, das anzuziehen, würde ich mich schon aufregen. Ich bewege mich lieber mit normalem Gewand. Jeder sollte sich sein Outfit aussuchen können, in dem er sich wohlfühlt. Mir geht es darum, den Speer weit zu werfen – und da ist es egal, ob ich schön bin oder schiach.
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