Speerwurf-Ass Hudson: "Hatte kein gesundes Verhältnis zum Essen mehr"
Im Vorjahr stand sie erstmals in einem EM-Finale, heuer holte sie bei den European Games Bronze. Am Mittwoch (10.20/live ORF Sport+) möchte sich Speerwerferin Victoria Hudson für das Finale der Weltmeisterschaft am Freitagabend qualifizieren.
Die 27-Jährige ist die Nummer fünf der Jahresweltrangliste mit ihren 64,05 Metern. Diese warf sie allerdings in Eisenstadt und nicht in einem geschlossenen Leichtathletik-Stadion, in dem die Thermik eine andere ist. "Ich weiß, dass ich 61 Meter brauche, um die Quali zu überstehen", sagt sie. "Dafür muss ich nicht zaubern. Ich brauche nur einen guten Wurf."
KURIER: Warum sind Sie ausgerechnet Speerwerferin geworden?
Victoria Hudson: Mein Papa ist aus England, und dort ist Cricket eine ganz große Sache. Als er nach Österreich gekommen ist, hat er gleich eine Mannschaft gefunden und ich war als kleines Kind oft dabei und habe auch den Cricket-Ball hin und her geworfen. Und ich habe so weit geworfen wie die Männer. Irgendwann haben wir im Garten angefangen, zu werfen, und mit 14 bin ich dann in einen Verein gegangen.
Da war sofort klar, dass es der Speer wird?
Ich habe die U14-Mehrkampfmeisterschaften in Tirol gewonnen, weil ich den Vortex (leichtes Wurfgerät aus Schaumstoff; Anm.) 63 Meter weit geworfen habe und die anderen Mädels 28, oder so. Da hat sich dann gezeigt, dass ich diesen natürlichen Wurf in mir habe. In der U16 ist dann schon der Gregor Högler auf mich zugekommen, der früher ja Speerwerfer war. Ab der U18 habe ich mit ihm trainiert.
Was fasziniert Sie an dieser Sportart?
Sie erfordert so viel vielseitiges Können. Man braucht Athletik und viel Kraft. Das sind Dinge, die mir liegen. Ich mache gerne Krafttraining und explosive Sprünge. Dazu kommt dieses technische Feilen. Das bewegt mich. Man ist beim Speerwerfen nie am Ziel, es geht immer besser. Das finde ich geil, das will ich jede Woche im Training machen. Wenn man den Speer gut trifft, dann fliegt der leiwand.
Speerwurf ist eine Ur-Disziplin, die schon bei den Spielen der Antike olympisch war ...
Für mich ist das das tägliche Leben, aber diese Verbindung zur Antike ist schon extrem cool. Vor 2.500 Jahren hat diese Sportart schon Menschen begeistert und jetzt werfe ich den Speer im vollen Stadion und die Leute sind noch immer davon gefesselt.
Welche sind die schwersten Momente in Ihrem Beruf?
2020 hatte ich eine Ellenbogen-Operation und ich musste eine Saison auslassen. Davor hatte ich eine Schulterverletzung, auch da habe ich lange pausieren müssen. Es ist schwierig, den Kolleginnen zuzuschauen, die bei Wettkämpfen super Leistungen bringen. Der Wettkampf bringt ja das Adrenalin, den Kick. Wenn man da nicht mitmachen kann, ist es schwierig. So ein Reha-Prozess macht keinen Spaß, aber so etwas gehört leider dazu.
Machen solche Rückschläge auch stärker?
Es lehrt mich, nicht vor zähen Situationen davon zu laufen, sondern ihnen in die Augen zu schauen. Wenn man so eine Leidenschaft hat, will man nicht aufgeben. Ich glaube, das wird mir in meinem weiteren Leben auch zugute kommen.
Wie sehr achten Sie auf ihren Körper? Schlagen Sie manchmal über die Stränge?
Nein, nie. Ich schaue einfach, dass ich mich gut ernähre. Als ich sehr jung war, habe ich mich kasteit. Da habe ich kein gesundes Verhältnis zum Essen mehr gehabt. Wenn man mit 15 Jahren glaubt, dass man so einen Sixpack haben muss wie die Top-Athletinnen Ende 20, passt das nicht zusammen. Ich war bestimmt zu streng mit mir, ich habe damals sicher nicht genug gegessen. Über die Jahre bin ich mit dem Essen viel entspannter geworden. Ich bin ja keine Hochspringerin, wo jedes Gramm zählt. Beim Speerwurf geht es eher in die andere Richtung. Meine Konkurrentinnen haben teilweise 96 Kilo und ich habe 64, wenn’s viel ist. Da fehlt mir ein halber Mensch auf die.
Können Sie auch richtig feiern?
Ich versäume sicher etwas. Wenn ich einmal bis zwei Uhr fortgehe, bin ich total fertig, das hängt mir eine ganze Woche nach. Deshalb mache ich das sehr selten. Ich bin mit meinem Freundeskreis nur sehr selten mitgegangen, das wäre mit dem Training nicht gegangen. Wenn meine Freundinnen einen Mädls-Urlaub machen, kann ich halt nicht dabei sein. Das freut mich nicht, und das macht mich traurig. Ich liebe aber mein Training, ich liebe es, im Wettkampf die beste Leistung zu bringen, die ich kann. Als Leistungssportlerin muss man viele Abstriche machen.
Wo wollen Sie sportlich noch hin?
Der Traum ist natürlich eine Medaille bei einem Großereignis, WM, EM, Olympia. Ich weiß, dass ich es vom sportlichen Vermögen her kann. Mit meiner Bestleistung sollte es für eine Medaille reichen. Deshalb ist das für mich ein realistisches Ziel, aber natürlich muss vieles zusammenpassen. Das ist das Interessante am Sport, man kann das nicht vorhersehen.
Sie sind eine sehr explosive Sportlerin.
Ja, davon lebe ich, das ist meine Stärke. Ich habe einen schnellen Anlauf und bin explosiver in der Abwurfbewegung. Es ist etwas schwierig, diese Power auch umzusetzen. Wenn da ein kleiner Fehler dabei ist, verliert man gleich viele Meter. Aber wenn ich ihn genau treffe, geht er wirklich weit.
Es wird zu Mittag in Budapest um die 35 Grad im Schatten haben. Wie gehen Sie mit der Hitze um?
Vielleicht kühlen wir das Harz für die Hand herunter, damit es härter wird. Ich verwende vor dem Bewerb eine Kühlweste, lege mir nasse Handtücher auf den Kopf und verwende Ice-Packs. Und dann haben wir noch ein Kältebecken mit. Da setze ich mich nach dem Wettkampf sechs Minuten in acht Grad kaltes Wasser rein.
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