Die Stars der Leichtathletik-WM: "Es fehlt ein Typ wie Usain Bolt"

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Am Sonntag wird der schnellste Mann der Welt gekürt. Die Stars der WM sind diesmal aber andere.
Der wichtigste Titel in der Leichtathletik, der schnellste Mann der Welt, die 100 Meter der Herren. Kurz nach 19.10 Uhr wird am Sonntagabend in Budapest bereits die prestigeträchtigste Goldmedaille dieser Weltmeisterschaft vergeben.
Die Disziplin brachte unvergessene Weltstars hervor, die die Leichtathletik über Jahrzehnte prägten. Carl Lewis, Linford Christie, Maurice Greene, Justin Gatlin und natürlich den unvergleichlichen Usain Bolt. Sie alle waren nicht nur schnell auf der Laufbahn, sondern auch schnell mit dem Mundwerk. Der Dopingverdacht umwehte sie immer wieder. Dennoch, oder vielleicht sogar deswegen, faszinierten sie Fans rund um den Globus.
Doch es ist ruhig geworden um die weltbesten 100-Meter-Sprinter. Nur echte Spezialisten werden sich an den Namen des letzten Olympiasiegers erinnern: Marcell Jacobs aus Italien holte 2021 in Tokio die Goldmedaille.
"Die großen Stars im Sprint fehlen einfach", sagt Markus Fuchs zum KURIER, der am Samstag selbst seinen 100-Meter-Lauf hatte. "Es fehlt ein Typ wie Bolt. Dafür gibt es jetzt mehrere Favoriten, das macht es wieder spannend." So trennen die besten acht Sprinter der Welt in diesem Jahr nur sieben Hundertstel.
Wer aber sind jene Sportlerinnen und Sportler, die das meiste Rampenlicht auf sich ziehen? Der KURIER hat sich auf die Suche nach den Stars der WM gemacht.
Der größte Star dieser WM ist ein Stabhochspringer. Der Schwede Armand Duplantis hat die Welt im Flug erobert. Schon sein amerikanischer Vater Greg war ein talentierter Stabhochspringer, seine schwedische Mutter Helena war Siebenkämpferin. Schon mit drei Jahren machte er im heimischen Garten seine ersten Sprünge. Mittlerweile beherrscht der Titelverteidiger die Disziplin nach Belieben. Am 8. Februar 2020 brach er mit 6,17 Metern den fast sechs Jahre alten Weltrekord, den sein Kindheitsidol Renaud Lavillenie aufgestellt hatte. Eine Woche später sprang er 6,18 Meter. Vor einem Jahr siegte er bei der WM in Eugene mit der Weltrekordhöhe von 6,21 Metern, in diesem Winter legte er in der Halle noch einen Zentimeter drauf. "Ich wäre nicht so überrascht, wenn ich bei der WM einen Sprung von 6,23 machen würde", kündigte er nun an.
Mittlerweile ist er 23 Jahre alt, Red-Bull-Sportler und unter anderem Omega-Testimonial. Sein Vermögen wird auf mehr als fünf Millionen Dollar geschätzt.
Trotz Duplantis’ Dominanz erfreut sich seine Disziplin bei den Zusehern großer Beliebtheit. Klar ist, dass der Schwede Gold holen wird. Offen bleibt, ob er es mit einem Weltrekord machen wird.
Sie misst nur 1,52 Meter und ist dennoch eine der größten Leichtathletinnen der Geschichte. Die 36-jährige Sprinterin Shelly-Ann Fraser-Pryce hat vor allem über die 100 Meter gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Acht olympische Medaillen hat die Jamaikanerin daheim hängen, drei davon aus Gold; bei Weltmeisterschaften hat sie unfassbare zehn Mal gewonnen; mit 10,60 Sekunden hält sie die drittschnellste Zeit, die je von einer Frau gelaufen wurde. 2017 brachte sie ihren Sohn Zyon zur Welt, rasch und schnell kehrte sie danach auf die Laufbahnen rund um den Globus zurück. Bei ihrem Comeback am 5. Mai 2018 in Kingston lief sie schon wieder 11,52 Sekunden.
Die schnellste Mutter der Welt ist aber nicht nur eine der erfolgreichsten Leichtathletinnen, sie ist auch eine der auffälligsten mit ihrem doppelten Doppelnamen und dem schrillen Auftreten mit den stets spektakulär gefärbten Haaren. Ihren WM-Titel über 100 Meter will sie am Montag verteidigen. Dem Mirror sagte sie: "Ich bin begeistert von den Fortschritten, die ich gemacht habe."
Nach Bolt könnte Bol der neue große Name werden. Die erst 23-jährige Niederländerin Femke Bol stellte am 19. Februar einen fabelhaften Weltrekord über 400 Meter in der Halle auf. In 49,26 Sekunden pulverisierte sie den ältesten Rekord auf der Bahn der Tschechoslowakin Jarmila Kratochvilova (49,59), aufgestellt vor 41 Jahren zur Hochblüte des Ostblock-Dopings. Hinter Bols kometenhaftem Aufstieg sollen andere Faktoren stehen. Ihr Leben dreht sich einzig um den Sport; liiert ist sie mit dem belgischen Stabhochspringer Ben Broeders; ihre freundschaftliche Rivalität zu ihrer Trainingspartnerin Lieke Klaver treibt sie zu immer neuen Höchstleistungen. Eine "Perfektionistin" sei Bol, sagt Klaver. "Wir sind wie Schwestern und helfen uns gegenseitig", sagt Bol.
Ihr Geheimnis soll in einem neuen Zugang zum Training für die 400 Meter liegen. Ihr Trainer Laurent Meuwly lässt sie weniger sprinten, dafür viele längere, langsamere Einheiten laufen. Das helfe, so der Trainer, bei einem Großereignis auch mehrere Runden bis zum Finale schnell zu sein. Sonntagabend ging in Budapest aber alles schief. In der Mixed-Staffel (4 x 400 m) lief sie als Schlussläuferin Richtung Gold – und stürzte wenige Meter vor dem Ziel.
Gjert Ingebrigtsen war nie ein Leichtathlet und auch kein Trainer. Dennoch mischen drei seiner sieben Kinder den Sport auf. Henrik Ingebrigtsen (32) wurde 2012 Europameister über 1.500 Meter, Filip (30) holte diesen Titel 2016. Doch der jüngste Sohn ist der erfolgreichste.
Schon mit elf Jahren lief Jakob Ingebrigtsen die fünf Kilometer in 17:19 Minuten. Auf seine herausragende Leistungsfähigkeit wurde sogar die Universität Stavanger aufmerksam, die beim damals Zwölfjährigen eine außergewöhnlich hohe maximale Sauerstoffaufnahme feststellen konnte. Am 17. Februar 2022 lief er als erster Mensch die 1.500 Meter unter 3:31, mit nur 22 Jahren ist er Olympiasieger und Weltmeister. Zudem hat er das Kunststück geschafft, ein Star zu werden auf Mittel- und Langstrecken, die jahrzehntelang von Afrikanern dominiert wurden.
Dazu beigetragen hat auch eine norwegische TV-Serie über die Sport-Familie. Doch die Beziehung zum Vater zerbrach. Sein Vater werde schnell unruhig, sagte Jakob. Das könne auf alle abfärben.
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