Sensation im Boxen: Biwol besiegt Canelo nach Punkten
Es hätte eine mexikanische Partynacht in Las Vegas am "Cinco de Mayo" Wochenende werden sollen. Vor 160 Jahren überraschten die Mexikaner mit einem Sieg über Frankreich in der Schlacht von Puebla (5. Mai 1862). Sonntagnacht gab es wieder eine große Überraschung, doch diesmal in Form einer Niederlage für das stolze Boxerland.
Saúl "Canelo" Álvarez, der beste Pound-for-Pound Boxer der Welt, konnte sich nicht gegen Dmitri Biwol durchsetzen und verlor zum zweiten Mal in seiner Karriere nach Punkten (115:113). Der WBA-Halbschwergewichtsgürtel bleibt beim ebenfalls 31-jährigen russischen Champion.
Erstmals bekamen Zuschauer das Gefühl, dass der Kampf gegen Dmitri Biwol in der Klasse bis 79,38 Kilogramm dem Mexikaner ein Limit aufgezeigt hat. Canelo gewann Weltmeistertitel in vier Gewichtsklassen und krönte sich in den letzten knapp eineinhalb Jahren zum unumstrittenen Champion im Mittelgewicht, indem er alle wichtigen WM-Titel holte. Seit Jahren springt er in den Gewichtsklassen auf und ab und sucht eine Herausforderung nach der nächsten. Doch Biwols körperliche Überlegenheit ging Sonntagnacht nicht spurlos am Mexikaner vorbei. "Keine Ausreden, ich habe heute verloren. Er ist ein großartiger Boxer. Ich habe seine Power gefühlt", sagte Canelo demütig nach dem Kampf – der nicht nur sichtlich Spuren im Gesicht hinterließ.
Die schnellen Konter und das schöne "In-and-Out" Boxen überforderten Canelo, der seine eigentlich starken Körpertreffer nie richtig anbrachte und am Ende sichtlich frustriert wirkte. Eigentlich hatte Canelo vor, im September wieder in seine eigentliche Gewichtsklasse (Super-Mittelgewicht) zurückzukommen und dort gegen Gennady Golovkin anzutreten. Nun musste er noch im Ring um ein Rematch gegen Biwol bitten, der sofort zusagte und sich noch entschuldigte "dass ich deine Pläne mit Golovkin zerstört habe."
Während Canelo (57-2-2) jetzt erst einmal seine bislang zweite Niederlage in neun Jahren verarbeiten muss, erhält Biwol (20-0-0) endlich die Aufmerksamkeit, die ihm seit Jahren gebührt.
Wer ist Biwol?
Biwols Mutter ist koreanischer Abstammung, wurde aber in Kasachstan geboren, sein Vater in Moldawien. Die beiden lernten sich in Russland kennen und zogen nach Kirgisistan. "Das ist mein Mutterland, ich liebe es, auch wenn es kein reiches Land ist." Biwol fühlt sich Kirgisistan am meisten verbunden. "Dort bin ich geboren und habe 11 Jahre gelebt." Und genau dort verliebte er sich durch Jackie-Chan-Filme in Kampfsport und ins Boxen. "Er (Jackie Chan, Anm.) hat ein großes Herz und gute Kampffähigkeiten. Ich erinnere mich, dass er in seinen Filmen nie jemanden getötet hat. Er war einfach lustig", sagte Biwol im Guardian-Interview.
Russlands Krieg gegen die Ukraine macht ihn nachdenklich: "Wir sind Menschen. Wir müssen eine bessere Welt für uns alle schaffen. Das ist natürlich traurig", sagte Biwol, der einfach nur boxen und Sport und Politik nicht vermischen will. Dass er unter der amerikanischen Hymne und ohne Flagge antritt, stört ihn nicht. "Kein Problem. Ich bin Sportler. Ich konzentriere mich auf den Kampf."
Wenn Biwol nicht zu Hause in St. Petersburg ist, findet man ihm beim Training in Kalifornien, wo er n seinen freien Stunden gerne am Strand spazieren geht oder in Kunstmuseen zu finden ist. "Auch wenn ich keine Ahnung davon habe, mag ich es dort", sagt Biwol.
Tod eines Freundes
Dass Canelo Biwols starke Deckung nicht durchbrechen konnte, lag vielleicht auch daran, dass Dmitri Biwol seine Defensive seit 2019 änderte. Nachdem sein Freund Maxim Dadashev bei einem Boxkampf Hirnverletzungen erlitt und daran starb, dachte er viel über seine Verteidigung nach. "Maxim war mein Freund. Ich kannte ihn seit 2003." Seine Trainer befürworteten den Wandel und waren der Meinung, dass es besser sei, keine Treffer zu kassieren und dafür weniger zu schlagen – dieser Plan ging gegen Canelo voll auf, der für das Rematch definitiv an seiner eigenen Deckung arbeiten muss.
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