Wie Ali gegen Frazier: Im Frauenboxen wird Geschichte geschrieben

Katie Taylor v Jennifer Han
Im Kampf der Superlative zwischen den Box-Pionierinnen Katie Taylor und Amanda Serrano werden erstmals siebenstellige Gagen bezahlt.

"Wenn du an den Madison Square Garden  denkst, fallen dir Kämpfe von Muhammad Ali oder Joe Frazier ein. Hier kämpfen die Besten gegen die Besten." Und der Leichtgewichts-Boxkampf gegen Amanda Serrano, Samstagnacht in New York, wird "der größte in der Geschichte des Frauen-Boxens".

Katie Taylors ruhige, tiefe Stimme mit irischem Akzent vermischt sich mit dem Klicken der Kameras. Laut sprechen nur ihre Taten und Erfolge. Taylor ist eine von nur acht Boxerinnen und Boxern, die jemals gleichzeitig WBA-, WBC-, IBF- und WBO-Titel getragen haben.

Erstmals findet im Mekka des Sports ein Hauptkampf zwischen zwei Boxerinnen statt. Der Kartenvorverkauf war der zweitgrößte der Geschichte. Beide Frauen sind Pionierinnen, Champions und Wegbereiterinnen für kommende Generationen. "Selten treten die zwei besten Boxer gegeneinander an. Doch das ist es, was der Sport mehr braucht, die wirklich großen Kämpfe", sagt Co-Promoter und YouTube-Star Jake Paul. Keine wollte den Kampf hinauszögern, "wir machen das für die Fans", sagte die siebenfache Weltmeisterin Amanda Serrano, die aus dem Federgewicht (bis 57,153 Kilogramm) aufsteigt und Taylor im Leichtgewicht (61,235 kg) herausfordert.

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Für die 33-jährige Puerto Ricanerin geht es um Gleichberechtigung. "Ich sehe endlich ein Licht am Ende des Tunnels." Anfangs erhielt Serrano für ihre Kämpfe keinen Cent. Den Titel musste sie für 4.000 Euro verteidigen. Zwischenzeitlich kämpfte sie im Mixed Martial Arts, um sich etwas dazuzuverdienen. Seit ihrem Profidebüt 2009 folgten 42 Siege und eine Niederlage. Der Kampf gegen Taylor bringt ihr erstmals einen siebenstelligen Gehaltsscheck. Gewinnen will sie durch "meine außergewöhnlichen Fähigkeiten, meine Kraft, das gute Kinn und mein lateinamerikanisches Blut". Ihre Zukunft nach dem Kampf sieht Serrano aber wieder im Federgewicht.

Fußball und Boxen

Im Vergleich zu Serrano trägt Katie Taylor weder Schmuck noch Make-up, die glatten, braunen Haare liegen locker über den Schultern auf ihrer schwarzen sportlichen Bluse. Mit dem Boxen begann sie erst im Alter von elf Jahren. Nebenbei kickte sie überaus erfolgreich im Fußball-Nationalteam Irlands und erhielt mehrere Stipendien für die USA. "Boxen war aber immer meine Nummer eins. Das Box-Gym macht einfach süchtig. Der Klang, der Geruch, die Menschen – ich habe einfach alles geliebt", sagte Taylor zu Sports Illustrated.

Die Aufmerksamkeit mag sie nicht. Unscheinbar ist ihr Auftreten, aber nur bis sie den Ring betritt. Verlieren kennt die 35-Jährige seit ihrem ersten Profikampf vor sechs Jahren nicht: 20 Siege und Titel in zwei Gewichtsklassen. 

Den längsten Kampf führte sie gegen das Internationale Olympische Komitee: Boxen wurde für Frauen erstmals bei den Spielen in London 2012 olympisch. Den Weg dorthin ebnete eine Gruppe ambitionierter Boxerinnen, angeführt von der damals 25-jährigen Katie Taylor. Sie überzeugte das IOC davon, dass Amateurboxerinnen ein Recht darauf haben, wie ihre männlichen Pendants bei den Spielen zu kämpfen – mit Erfolg. Bei der olympischen Premiere vor zehn Jahren gewann Taylor auf Anhieb Gold im Leichtgewicht (bis 60 kg).

Katie Taylor v Firuza Sharipova - WBC, WBA, IBF and WBO World Female Lightweight Titles

"In ihrem Herzen hatte sie schon immer den Traum, Olympiasiegerin zu werden – in einem Sport, den es damals für Frauen noch nicht einmal gab", sagte Katie Taylors Mutter in einem Interview und erinnert sich an ihre sechsjährige Tochter zurück, die Box-Olympiasiegerin spielte und voller Selbstvertrauen die Arme in den Himmel streckte. "Ich bin noch nie vor einer Herausforderung zurückgewichen", resümiert Taylor ihre Karriere. "Dieser Kampf ist erst der Anfang."

Meilensteine

1722 erschien in einer Londoner Zeitung der wahrscheinlich erste Bericht über einen Boxkampf zwischen zwei Frauen – Siegesprämie waren damals drei Guinness-Bier. 2022 treten die zwei besten Boxerinnen der Welt gegeneinander an, Medien berichten seit Wochen von diesem historischen Moment. Mit den siebenstelligen Gagen können sich die Boxerinnen ihre hochverdienten drei Guinness selbst leisten.

Wie es sich anfühlt, im Madison Square Garden gegen Amanda Serrano zu kämpfen, weiß Österreichs erste Boxweltmeisterin Eva Voraberger. "Das Gefühl, wenn du dort reingehst, ist ein Wahnsinn. Ein Traum, dort zu boxen. Das hat mich damals völlig überwältigt."

Die 32-Jährige musste 2019 gegen Amanda Serrano in der ersten Runde eine harte Niederlage einstecken, für sie sind Serrano und Katie Taylor "absolute Ausnahme-Athletinnen. Das ist ein Kampf, wo du nicht sagen kannst, wer gewinnen wird. Das ist die beste Werbung fürs Frauen-Boxen und hebt den Sport auf ein neues Niveau."

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