Rainer Pariasek: "Geisterspiele sind das geringere Übel"
Das Gesicht des ORF-Sports über die Zukunft des Fußballs nach der Corona-Krise, das Fehlen von Marcel Hirscher und die Herausforderungen für das Sportjahr 2021.
Kein Ski-Weltcupfinale mit Rainer Pariasek, keine Länderspiele mit Rainer Pariasek. Der Corona-Virus hat auch den bekanntesten ORF-Sport-Präsentator von der großen Bühne verbannt. Derzeit ist Rainer Pariasek regelmäßig nur im Kurz-Sport auf ORF Sport + zu sehen.
KURIER:Hat auch Sie der Corona-Virus gebremst, Herr Pariasek?
Rainer Pariasek: Ich fahre nur noch ab und zu ins Studio nach Wien, erledige sonst fast alles von zu Hause aus. Fad ist mir aber nicht, der Arbeitsalltag ist ein anderer.
Von Entschleunigung keine Spur?
Doch. Ich merke, wie schnell die Zeit an mir vorüber gegangen ist. Ich bin normalerweise ja viel beruflich unterwegs. Das und auch private Termine fallen jetzt weg. Jetzt sehe ich auch positive Aspekte, so lange war ich noch nie bei meiner Frau und den Kindern.
Der Sport steht ja jetzt als Ganzes im Abseits.
Vorweg: Das Wichtigste ist jetzt die Eindämmung des Virus und dass dann die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Der Sport ist jetzt nicht das Allerwichtigste, wird aber bald wieder eine wichtige Funktion haben. Ich sehe den Sport fast als Kulturgut an. Es gibt 15.000 Vereine, und Sport gehört, aktiv wie auch passiv, zur österreichischen Kultur.
Dennoch wurde er im ORF aus dem Einser- ins Sport-Plus-Programm verschoben.
Der ORF hat viele Kanäle und geht auf allen seinem Auftrag nach. Mich freut, dass der ORF jetzt zeigt, wie wichtig seriöse Berichterstattung ist und was für eine wichtige Rolle er in unserem Land hat.
Und die Sportberichterstattung?
Wir versuchen bewusst, als Partner da zu sein und Sportlern und Vereinen in diesen schweren Zeiten eine Plattform zu geben, damit sie nicht vergessen werden. Wir schaffen auch neue Formate wie den Sport-Plus-Klub, und wir kramen im Archiv.
Wann, glauben Sie, wird es mit der österreichischen Bundesliga weitergehen?
Wie so viele hoffe ich intensivst, dass die Kugel bald wieder rollt. Vielleicht kann die Liga Mitte, Ende Mai fortgeführt und sogar beendet werden.
Mit Geisterspielen?
Das ist zu befürchten, das ist ein Wahnsinn. Aber es ist wohl das geringere Übel und besser, als wenn es gar nichts mehr geben würde.
Wird der Fußball nach Corona weniger geldgierig und näher am Fan sein?
Es wäre wohl der richtige Zeitpunkt, dass es nicht nur Geld, Geld, Geld heißt. Wann, wenn nicht jetzt, kann der Kommerz zurückgedrängt werden. Wobei natürlich auch die Gefahr besteht, dass finanzschwächere Klubs noch mehr Spieler verkaufen müssen und die zu den Klubs gehen, in die aus irgendwelchen Quellen schon vor Corona Abermillionen Euro geflossen sind.
Privat
Der, laut Magazin Profil, "Star-Sportmoderator" wurde 1964 in Wien geboren und ist dort aufgewachsen. Er lebt mit seiner Frau und den drei Töchtern (18, 14 und 13 Jahre) in Hollenburg bei Krems
Beruf
Über die Presse Agentur und die Tageszeitung „Presse“ kam er 1987 zu Ö3. 1996 holte ihn TV-Sportchef Elmar Oberhauser vor die Kamera.
Was könnte sich am Fußball ändern?
Ich hoffe, dass intensive Diskussionen entstehen. Vielleicht wird über Gehaltsobergrenzen wie im nordamerikanischen Sport geredet. Oder bei Spielerverpflichtungen gar über die dortigen Draftsysteme.
Welche Rolle wird der Sport nach der Krise einnehmen?
In Telefonaten mit Freunden, darunter auch einer aus Tirol, wo man ja fast gar nichts mehr tun kann, bekomme ich mit, wie sehr allen der Sport abgeht. Aber nicht nur der aktive Sport, sondern auch der Besuch in einer Halle oder einem Stadion und auch Liveübertragungen im Fernsehen.
Wie geht es Ihnen mit eSport?
Das ist sicher ein Thema, wie wir an den Zahlen einer Übertragung eines eGrand-Prix auf Sport Plus gesehen haben. Persönlich kann ich damit nicht allzuviel anfangen, das liegt wohl an meinem Alter. Ich habe früher nicht einmal Playstation gespielt.
Wird die Corona-Krise auch die Wortwahl im Sportjournalismus verändern, und wird dann mit Begriffen wie Drama und Katastrophe sorgfältiger umgegangen?
Am Anfang sicher, aber der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Nach Terroranschlägen war Bombenstimmung eine gewisse Zeit nicht mehr zu hören oder zu lesen, hat sich aber vereinzelt wieder eingeschlichen. Ich bin mir sicher, dass die Sprache im Sportjournalismus in den letzten 30 Jahren bewusster und viel besser geworden ist.
Die Ski-Saison ist fast beendet worden. Wie war sie ohne Marcel Hirscher?
Mir ist er sehr abgegangen, nicht nur wegen seiner Erfolge, sondern auch als Typ, der keine 08-15-Antworten gegeben hat. Anfang der Saison haben wir das auch bei den Quoten ein bisschen bemerkt, aber die Klassiker wie Kitzbühel waren so gut wie in den Jahren davor.
Mit wem würden Sie gerne einmal ein Interview machen?
Ein internationaler Fußballstar im „Sport am Sonntag“ hätte schon was. Und Tiger Woods fasziniert mich als Sportler und Persönlichkeit.
Apropos Star. Werden Sie erkannt, wenn sie durch Wien gehen?
In der Kärntner Straße passiert so etwas eher selten, auch in Nicht-Corona-Zeiten. In Stadien oder in Kitzbühel ist das anders. Da wurde ich früher um Autogramme gebeten, jetzt sind es fast nur noch Selfies. Aber auch das hält sich in Grenzen und ist nicht unangenehm. Im Vergleich zu mir waren Ex-Kollegen wie Heinz Prüller oder Michael Kuhn noch echte Legenden.
Sie finden sich auf Ironie- und Hoppala-Portalen oft wider. Unangenehm?
Das schaue ich mir nur an, wenn mich jemand darauf aufmerksam macht. Ich selbst bin ja weder auf Facebook, Instagram oder Twitter. Ich kann aber damit gut umgehen. Das ist ja keine Katastrophe – im Vergleich zur Corona-Krise.
Was war witziger in Kitzbühel: Dass Sie von Felix Neureuther interviewt wurden oder dass sie Schauspieler Patrick Dempsey zu McDempsey gemacht haben?
Felix Neureuther war überraschend, weil er plötzlich in der Kabine gesessen ist, mir Fragen gestellt hat und das Ganze aufgezeichnet wurde, ohne dass wir es wussten. Und Dempsey ist während einer Rennunterbrechnung 20 Meter von mir entfernt gestanden, da habe ich ihn hergeholt und aus seinem Rollen-Spitznamen „McDreamy“ den „McDempsey“ gemacht. Ich habe halt eine Schwäche mit den Namen.
Zählt so etwas zu den unangenehmsten Momenten im Leben eines TV-Präsentators?
Mir ist es lieber, wenn mir so was nicht passiert. Aber es wäre zehn Mal peinlicher, wenn ich Matthias Mayer mit Vincent Kriechmayr verwechseln würde.
Sie haben vor zwei Jahren gesagt, dass Sie nicht wissen, ob sie sich mit 65 Jahren im Zielraum noch gewissen Körperteile abfrieren wollen? Jetzt sind sie 56. Ist ein Ende in Sicht?
Im Regen im Zielraum von Gröden zu stehen, war sicher nicht angenehm. Aber ich habe noch immer Spaß an meiner Arbeit und bin mit Eifer dabei.
Dann können Sie sich ja schon auf 2021 freuen mit Fußball-WM, Ski-WM und Olympischen Sommerspielen. Worauf freuen Sie sich besonders?
Ein Fußball-Großereignis mit österreichischer Beteiligung ist etwas ganz Besonderes, weil es nicht so oft vorkommt. Das habe ich schon bei der WM 1998 erlebt und bei den Europameisterschaften 2008 und 2016. Ski-Weltmeisterschaften habe ich schon einige erlebt. Sie sind auch etwas Schönes wie die Sommerspiele. Ich freue mich schon.
Also Ende der Entschleunigung?
Schaut so aus, dass es ein arbeitsreiches Jahr wird. Ich freue mich aber auf die Zeit, wenn wir wieder schöne Sport-Feste feiern können.
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