Rad-Profi Gogl vor WM: „Früher war ich echt schmerzbefreit“

Rad-Profi Gogl vor WM: „Früher war ich echt schmerzbefreit“
Der Oberösterreicher startet bei der Straßen-WM in Zürich. Wie das Niveau nach oben geschnellt ist und weshalb er keine sinnlosen Aktionen startet.

273,9 Kilometer, 4.470 Höhenmeter – auf dem hügeligen und anspruchsvollen City-Kurs in Zürich wird heute der neue Rad-Weltmeister ermittelt. Michael Gogl (30) ist der erfahrenste Radprofi im österreichischen Sextett, das sich der Tortur stellt.

KURIER: Wie geht man in so ein WM-Rennen?

Michael Gogl: Wir haben eine kleine und feine Mannschaft mit Leuten, die schon bewiesen haben, dass sie bei so langen Rennen vorne reinfahren können. Wichtig wird sein, dass man seine Energien richtig einsetzt, damit dann beim Finale Felix und Felix (Anm. Großschartner und Gall) vorne mit dabei sind. Wobei ich denke, dass mir der Kurs in Zürich auch sehr gut liegt.

Worauf kommt es bei einem Eintagesrennen an?

Ich gehe davon aus, dass dieses Rennen sehr früh eröffnet wird und früh Leute wegfahren. Das Problem ist, dass du nie weißt, welche Attacke die entscheidende ist. Daher muss man sehr wachsam und auf alle Szenarien vorbereitet sein.

Was kann ein kleines österreichische Team gegen die Top-Nationen ausrichten?

Die großen Nationen haben so eine enorme Tiefe im Kader, dass es sicher schwierig ist. Andererseits ist Marco Haller bei Olympia trotzdem Sechster geworden, weil er einfach bei der richtigen Post dabei war.

Rad-Profi Gogl vor WM: „Früher war ich echt schmerzbefreit“

Michael Gogl (re.) ist ein Experte für Eintagesrennen

Macht es Sinn, sich an Tadej Pogacar zu orientieren, der als dritter Radprofi den Hattrick aus Giro-Sieg, Triumph bei der Tour de France und WM-Titel schaffen will?

Das wird schwierig. Wenn du Pogacar wirklich schlagen willst, dann musst du ihn und seine Mannschaft in die Bredouille bringen. Es ist abartig, was er macht. Beim Grand-Prix in Kanada hatten wir 500 Watt Leistung am Pedal, und Pogacar sprintet dann weg, als ob es nichts wäre.

Sind das denn andere Watt-Zahlen, als noch vor einigen Jahren? 

Seit ich Profi geworden bin, hat sich der Sport extrem verändert. Das Niveau wird von Jahr zu Jahr höher, alles wird professioneller. Manche Dinge haben sich radikal verändert.

Rad-Profi Gogl vor WM: „Früher war ich echt schmerzbefreit“

Zum Beispiel?

Zum Beispiel beim Thema Ernährung. Früher hat es immer geheißen: Viel trainieren und wenig essen. Heute muss ein Radprofi schauen, dass er möglichst viel zu sich nimmt. Die Teams haben heute auch viel mehr Budget, deswegen gibt es in jeder Mannschaft zwei Ernährungsberater und sechs Trainer und dazu noch viele andere Betreuer.

Wie sehr hilft Ihnen heute die Routine. Fahren Sie anders als noch als Rookie? 

Ich fahre definitiv ein wenig bewusster. Das heißt aber nicht, dass ich nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin. Sagen wir so: Früher war ich wirklich schmerzbereit, was das Positionsfahren betrifft. Und heute überlege ich es mir schon zwei Mal, ob ich in jede enge Lücke reinsteuere.

Ist das Rennintelligenz oder sind Sie seit ihrem schweren Sturz bei der Tour de France 2022 sensibilisiert?

Das hat nichts mit Rennintelligenz zu tun, sondern eher damit, was ich schon alles durchgemacht habe. Wenn du einmal wie ich mit einem Beckenbruch und inneren Verletzungen im Krankenhaus gelegen bist, dann überlegst du dir zwei Mal, ob du eine sinnlose Aktion startest, die dich wieder ins Krankenhaus bringt.

Können Sie die Rennen eigentlich genießen?

Ich genieße den Tunnel, in dem du während dem Rennen bist. Ich fahre sicher nicht durch die Gegend und denke mir: Boah, wie lässig.

Apropos lässig: Wie schwer ist es als Radprofi, immer wieder einen neuen Vertrag zu bekommen?

Wenn etwas schiefgeht, wie in meinem Fall mit dem  wilden Sturz bei der Tour und heuer der Knieverletzung, dann kommt das Team auf dich zu und sagt:  Wir können dich schon verlängern,  aber zu neuen Konditionen. Das war keine  angenehme Situation: Zu wissen, ich brauche einen neuen Vertrag,  aber ich kann keine Rennen fahren, weil das Knie nicht funktioniert. Ich bin da  unter Druck gestanden. 

Verglichen mit Ihrer Frau, der Spitzenleichtathletin Susanne Gogl-Walli, geht es Ihnen als Radprofi noch gut.

Leider ist in vielen anderen olympischen Sportarten nur sehr wenig Kohle drin. Ich sage trotzdem: Wenn es sich bei uns im Radsport finanziell nicht so lohnen würde, dann stellt sich schon die Frage: Wie viel Risiko ist man bereit, einzugehen? Ungefährlich ist unser Sport nicht, das erleben wir leider immer wieder auf tragische Weise.

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