Peter Kleinmann erzählt gerne diese eine Anekdote, als er vor einem halben Jahrhundert einen österreichischen Sportjournalisten für eine Story über das Volleyball angebaggert hatte. „Volleyball“, habe dieser mit einem Stirnrunzeln damals gefragt. „Spielt man da mit einem Ball aus Wolle.“
Peter Kleinmann war – um bei diesem Bild zu bleiben – der rote Faden im heimischen Volleyball. Der umtriebige Wiener hat in 50 Jahren sämtliche Positionen bekleidet, die es in diesem Sport gibt, meist sogar mehrere gleichzeitig. Er war Nationalspieler und Teamchef, Trainer und Manager, Klubboss und Verbandspräsident, vor allem war er immer ein Lautsprecher. Seinen 75. Geburtstag feiert der Jubilar heute in aller Ruhe – wenn’s um den österreichischen Sport und den Stellenwert der Bewegung geht, dann ist Kleinmann aber nicht kleinlaut.
KURIER: Sprechen wir über das Sportland Österreich.
Peter Kleinmann: Sportland Österreich? Das trifft nur auf den Wintersport zu, da sind wir ein tolles Sportland. Im Sommer spielen wir keine wichtige Rolle. Wobei man fairerweise dazusagen muss, dass nicht wirklich viele Länder den Wintersport ernsthaft betreiben. Seien wir ehrlich: Wie viele Leute interessiert weltweit schon eine Abfahrt oder ein Slalom? Aber das Problem ist ja sowieso ein anderes.
Nämlich?
Der Sport hat in Österreich einen schlechten gesellschaftlichen Stellenwert. Bei uns herrscht immer noch die landläufige Meinung: Ein Sportler hat viele Muskeln, aber wenig Hirn. In anderen Ländern genießen Sportler ein viel höheres Ansehen.
Peter Kleinmann kämpft seit zwei Jahrzehnten um Akzeptanz für den Sport und die tägliche Bewegungsstunde in den Schulen und Kindergärten. „Nur 28 Prozent unserer Kinder bewegen sich regelmäßig, nur 30 Prozent der Erwachsenen“, mahnt er.
Warum bewegt dieses Thema hierzulande die Gesellschaft und Politik nicht?
Wenn sich nur 30 Prozent der Erwachsenen regelmäßig bewegen, haben 70 Prozent der Entscheidungsträger mit dem Sport nichts am Hut. Deshalb habe ich begonnen, auf die positiven wirtschaftlichen Effekte des Sports und der Bewegung hinzuweisen. Alles Geld, was in den Sport gesteckt wird, ist Investment und vervielfacht sich. Im Moment ist die Meinung: Sport ist pfui. Aber ich werde die so lange sekkieren, bis sie es kapieren. Wobei ich mich schon manchmal frage: Sind die absichtlich deppert?
Wie war das denn in Ihrer Jugend? Welches Image hatte damals der Sport?
Ich bin im Gemeindebau aufgewachsen. Im sechsten Stock, kein Aufzug – schon das Rauf und Runterrennen war Sport. Zu meiner Zeit hat’s noch in jedem Gemeindebau einen Käfig gegeben, in dem wir permanent Fußball gespielt haben. Irgendwann hat’s geheißen, wir sind zu laut, dann haben sie begonnen, das Spielen zu verbieten. Und bis heute ist es nicht besser geworden.
Was missfällt Ihnen?
In der dritten und vierten Klasse Volksschule sind zwei Stunden Bewegung pro Woche vorgesehen. Das heißt, die Kinder sind angehalten, an drei von fünf Tagen sich nicht körperlich zu bewegen – das ist in meinen Augen gesetzlich angeordnete Körperverletzung. Oder nehmen wir die Entscheidungen während Corona.
Was kritisieren Sie konkret?
Alle haben damals gesagt, wie wichtig doch Bewegung ist für ein starkes Immunsystem. Das ist die beste Vorbeugung gegen Corona, war immer zu hören. Und was wurde bei uns als Erstes verboten? Sport und Bewegung. Das muss dir erst einmal einfallen! Es gibt gar nicht so viel Senf, wie wir Würstln im Land haben.
Liegt’s nur an der fehlenden Bereitschaft, oder mangelt es nicht doch auch an den Rahmenbedingungen?
Wir haben keine adäquaten Sportanlagen. Ich behaupte, dass Österreich die schlechteste Sportinfrastruktur in ganz Europa hat. Provokant gesagt: Die einzige olympiareife Sportstätte in Wien ist der Marathon – weil die kann man nicht wegreißen. Die Infrastruktur ist aber das Um und Auf. Und wenn einer daherkommt und sagt: ,Nein, die Trainer sind das Wichtigste.’ Dann muss ich widersprechen. Was nützt mir ein Trainer, wenn ich ein Schwimmbecken ohne Wasser habe? Eines kann ich versprechen: Ich werde weiter kämpfen und aufmerksam machen und den Leuten auf die Nerven gehen.
Sie sind seit mehr als einem halben Jahrhundert im Spitzensport am Ball. Ist Peter Kleinmann in Österreich eine kleine Berühmtheit?
Ich denke, ich bin dann eher berüchtigt.
Werden Sie denn in der Öffentlichkeit erkannt?
Man kennt mich, das sehe ich daran, wie mich die Leute anschauen. Ich werde immer wieder angesprochen. Komischerweise sagen viele: ,Heast, du bist doch dieser Handballer.’
Ui...
Ich sage dann immer: Du kannst dir gleich ein neues Fettnäpfchen für Weihnachten kaufen.
Kommentare