Paris vor den Olympischen Spielen: Eine Stadt im Ausnahmezustand
Die Olympischen Spiele verwandeln die Stadt nicht nur in eine große sportliche, sondern auch in eine immense Sicherheitszone. Schöne Bilder soll es trotzdem geben.
Die einen waren gerade zu Hause, als ihr Handy an einem Abend im Mai einen Alarmton in einer bis dato ungekannten Lautstärke aussendete. Andere befanden sich im Restaurant oder – noch unangenehmer – im Kino, als ihre Mobiltelefone, obwohl auf lautlos gestellt, ohrenbetäubend läuteten. Eine beunruhigende Nachricht erschien auf den Displays: „Extrem schwerwiegende Warnung! WICHTIG!“
Tatsächlich handelte es sich um eine vorsorgliche Mitteilung des französischen Innenministeriums, die Tausende Pariserinnen und Pariser gut zwei Monate vor Beginn der Olympischen Spiele auf ihre Handys erhielten. Sie wurden darin aufgefordert, über eine Internet-Plattform einen QR-Code zu beantragen, um zwischen Ende Juli und Mitte August ihr Haus verlassen und vor allem auch wieder problemlos dorthin zurückkommen zu können, sollte dieses in der besonders geschützten Sicherheitszone liegen.
Nicht alle, die die Nachricht erhielten, waren betroffen. Doch die Warnung war zum einen der Versuch, möglichst viele zu einer Vorbereitung dieser Ausnahme-Wochen während der Spiele zu animieren; sie verriet zum anderen etwas über die Nervosität der Behörden. Chaos gilt es zu vermeiden, Sicherheit steht an erster Stelle. Ein möglicher Anschlag gehört zu den größten Sorgen der Olympia-Organisatoren. Es gebe kein „Null-Risiko“, räumte der Pariser Polizeipräfekt Laurent Nuñez Ende Juni in einem Radiointerview ein. „Alles ist bereit, wir sind sehr zuversichtlich“, sagte er dennoch.
Schon seit Tagen ist die enorme Präsenz von Polizisten und Soldaten auffällig. Sie patrouillieren selbst an so überraschenden Orten wie einem einsamen Radweg, der von den Vorstädten im Südosten an der Seine entlang nach Paris führt. An etlichen Verkehrsachsen sind hohe Absperrungen angebracht, die die Gehsteige von der Straße trennen. Die traditionelle Zeremonie am Nationalfeiertag 14. Juli auf der Prachtstraße Champs-Élysées wurde auf eine der anderen Avenuen, die zum Triumphbogen führen, verlegt. Der zentral gelegene Concorde-Platz ist seit Wochen abgesperrt. Von außen sind die aufgebauten Zuschauertribünen sichtbar. Mit Blick auf den Eiffelturm werden dort junge olympische Sportarten wie Skateboard, 3x3-Basketball, BMX und Breakdance gezeigt.
Die Entscheidung, die größte internationale Veranstaltung der Welt nicht am Stadtrand, sondern mitten in der Metropole stattfinden zu lassen, bringt mit sich, dass die Bewohner sich anpassen müssen. Viele Metrostationen sind am Eröffnungstag gesperrt, einige auch schon vorher und darüber hinaus. Manche der Leute schimpfen, andere zucken mit den Achseln. An blockierte Straßen etwa aufgrund von Filmarbeiten sind die Pariser gewöhnt, aber nun fühlt es sich an, als werde überall in der Stadt gefilmt – und so ist es ja auch beinahe.
Seit Donnerstag bis einschließlich Freitag, 26. Juli, wird ein „Perimeter für innere Sicherheit und Kampf gegen Terrorismus“ eingerichtet, der sich fast die gesamte Seine innerhalb der Stadtgrenzen entlang zieht. Dazu gehören auch das Marsfeld unter dem Eiffelturm und der Trocadéro-Platz auf der anderen Fluss-Seite, die beiden Inseln im Zentrum und der Tuilerien-Park beim Louvre. Wer sich in diesem Bereich aufhält, braucht eine Akkreditierung, ob als Athlet, Journalist oder Mitarbeiter, oder einen Zugangscode. Beantragen können ihn Anrainer, Berufstätige in diesen Zonen, Museumsbesucher oder Hotelgäste. Durch diese Maßnahmen soll die Eröffnungszeremonie am 26. Juli geschützt werden, die sich auf der Seine abspielt, sechs Kilometer von der Brücke Pont d’Austerlitz im Osten bis zum Pont d’Iéna beim Eiffelturm.
Eröffnung: Am 26. Juli werden die Spiele eröffnet – und zwar auf der Seine.
160 Boote werden insgesamt 10.500 Athletinnen und Athleten über den Fluss transportieren.
326.000 Zuschauer können die Zeremonie an Ort und Stelle verfolgen.
Sicherheit: Werden zum Auftakt 45.000 Polizisten und Gendarmen im Einsatz sein, so sind es in der übrigen Zeit bis zum Ende der Spiele am 11. August täglich 30.000 Beamte. Verstärkt werden sie von 18.000 Soldatinnen und Soldaten und 20.000 Mitarbeitern privater Sicherheitsfirmen.
Im Fluss
Erstmals in der Geschichte findet der Auftakt der Großveranstaltung auf einem Fluss statt. An den Ufern können 326.000 Menschen dem Spektakel beiwohnen, die vorab Bezahltickets für den unteren und Gratis-Karten für den oberen Uferbereich erworben haben – und deren Identität überprüft wurde.
Die Organisatoren setzen auf die spektakulären Bilder vor Traumkulisse. Im Grand Palais, einem Ausstellungsgebäude aus dem Jahr 1900, werden Wettbewerbe im Fechten und Taekwondo ausgetragen. Unter dem Eiffelturm wird Beachvolleyball gespielt. Die Marathonstrecke startet beim Rathaus, führt bis zum Schloss von Versailles und zurück nach Paris zum Invalidendom.
Historischer Anknüpfungspunkt ist der Marsch von mehr als 6.000 Pariser Marktfrauen in die einstige Königsstadt am 5. Oktober 1789, eine wichtige Etappe der französischen Revolution. An jenem Tag zwangen sie König Ludwig XVI., die Menschenrechtserklärung zu unterschreiben. Historisch, so hoffen die Verantwortlichen, werden auch diese Olympischen Sommerspiele in Paris, genau 100 Jahre nach den letzten. Historisch strahlend und schön.
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