Leichtathletik: Rot-weiß-rote "Tragödien" und Wiener Versäumnisse

Leichtathletik: Rot-weiß-rote "Tragödien" und Wiener Versäumnisse
Die Elementarsportart übernimmt das Kommando bei Olympia in Paris. Georg Werthner, Österreichs Mister Zehnkampf, ist da ganz in seinem Element und blickt wehmütig nach Österreich.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Mit 3.380 absolvierten Bewerben gilt der Linzer Akademiker Georg Werthner, der auch mit 68 noch topfit läuft, wirft und springt, in der Leichtathletik-Statistik als weltrekordverdächtig. Bei vier Olympischen Spielen hatte er zu den Konstantesten gezählt.

Mit Beginn der Pariser Medaillenjagd in der Elementarsportart Leichtathletik sitzt „Doktor Zehnkampf“ täglich daheim vor drei Bildschirmen. Schaut fasziniert parallel bei ORF, Eurosport und ZDF zu.

Nur Rot-Weiß-Rot sieht der ehemalige Olympia-Vierte in der Königsdisziplin nicht. Kein junger Landsmann von Werthner ist im Pariser Zehnkampf dabei, obwohl Österreich mit Horst Mandl, Gert Herunter, Walter Diessl, Sepp Zeilbauer und Werthner über viel Tradition verfügt. Keine Frau vertritt Österreich im Mehrkampf, in dem Liese Prokop einst Weltrekord aufstellte und in dem der Verband in jüngerer Vergangenheit mit Ivona Dadic, Verena Mayr und Sarah Lagger drei Ausnahmeathletinnen zu haben schien. „Ihr Fehlen in Paris ist eine Tragödie“, sagt Georg Werthner.

Einerseits warfen Verletzungen die Hoffnungsträgerinnen zurück, andrerseits habe man verabsäumt, das Trio gemeinsam trainieren und sich gegenseitig pushen zu lassen. Vielleicht sei er ein bissel mitschuld, meint Werthner, hatte er doch früher Sarah Lagger selbst gecoacht.

Leichtathletik: Rot-weiß-rote "Tragödien" und Wiener Versäumnisse

Georg Werthner

Ganz ließ die Leichtathletik den ehemaligen olympischen Dauerbrenner nie los. Die von ihm und Sportwissenschafter Roland Werthner gegründete Linzer TGW Zehnkampf-Union dominiert auch heuer die nationale Vereinsrangliste aller Altersklassen.

Immer wieder veranstalteten die Werthner-Brüder in Wien den Jedermann-Zehnkampf. Mit dem Millennium-Bewerb als Höhepunkt, bei dem 1.007 Menschen trotz Schlechtwetters im Happel-Stadion liefen, warfen, weit und hoch sprangen. Es war von der Starterzahl her der weltgrößte Zehnkampf. „Den über die Bühne zu bringen, war dreimal anstrengender als selbst 8.000 Punkte zu schaffen.“

Wien ist ungeeignet

Seit 20 Jahren findet kein Leichtathletik-Meeting mehr im Happel-Stadion statt. Zumal dessen Kunststofflaufbahn, malträtiert von Tiefladern bei Konzerten, selbst für Hobbyathleten längst unzumutbar geworden ist. Mehr noch: Wien verfügt über keine einzige Sportanlage, die eine österreichische Leichtathletik-Staatsmeisterschaft zulässt.

Diesen Umstand sollten Kritiker miteinbeziehen, ehe sie wie alle vier Jahre wieder medaillenlos Gebliebenen vorwerfen, dass die „auf unsere Steuerkosten“ versagen. Sport spielt in Österreichs größtem, 93 Jahre alten Stadion, das auch der Parkraumüberwachung als Zentrale dient, meist nur noch eine Nebenrolle. Immerhin geben in den nächsten August-Tagen der Fußball-Edelfan (und Sponsor vom Premiere-League-Aufsteiger Ipswich) Ed Sheeran und die Footballer-Freundin Taylor Swift im Prater den Ton an.

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