Der amerikanische Traum ist für Sandro Platzgummer gerade Wirklichkeit geworden. Als einer von nur vier Athleten des „International Pathway Programs“ schaffte es der Running Back der Swarco Raiders Tirol in die berühmte NFL. Der 23-jährige Medizinstudent aus Innsbruck darf sein Können fortan für den vierfachen Super-Bowl-Sieger New York Giants unter Beweis stellen.
Auf der Position des Kickers gab es in der Vergangenheit schon Österreicher in der NFL, der ehemalige Fußball-Nationalspieler Toni Fritsch gewann mit den Dallas Cowboys 1971 sogar den Super Bowl. Sandro Platzgummer ist nun der erste „echte“ American Footballer im Mutterland des Sports. Dementsprechend viel um die Ohren hat der Innsbrucker seit 36 Stunden. „Es ist gerade ziemlich turbulent“, erzählt Platzgummer. „Giants-Fans melden sich aus Amerika, ich muss sehr viele Interviews geben.“
NFL
Toni Fritsch debütierte 1971 als Freekicker für die Dallas Cowboys und gewann gleich im ersten Jahr den Super Bowl.
NBA
Jakob Pöltl debütierte am 26. Oktober 2016 für Toronto. 2018 wechselte er zu San Antonio.
NHL
Österreichs Erster war Goalie Reinhard Divis. Er debütierte am 2. April 2002 für St. Louis.
Baseball
Kurt Krieger (1926–1970) war mit drei Einsätzen bei St. Louis der einzige Österreicher in der Major League.
Wie groß ist die Genugtuung?
Auf jeden Fall erfüllt es mich mit Stolz, dass mir dieser Schritt gelungen ist. Wissen Sie, was das Ganze noch einmal spezieller macht?
Verraten Sie’s.
Dass ich es aus dem Nachwuchsprogramm der Raiders dorthin geschafft habe. Ich bin kein Österreicher, der in Amerika aufgewachsen oder dort zur Schule gegangen ist. Ich bin hier in Österreich zum Footballer geworden. Daher denke ich, dass das nicht nur für den österreichischen Football ein Signal ist, sondern für unseren Sport in ganz Europa.
Was hat Ihrer Meinung nach den Ausschlag gegeben, dass Sie eines der vier Tickets erhalten haben?
Ich glaube, dass vor allem mein Football-Hintergrund für mich gesprochen hat.
Ihr Football-Hintergrund?
Ich spiele seit 2003 Football, also seit ich sechs Jahre alt bin. Das ist eine sehr lange Zeit, es gibt in Europa wenige Spieler, die so viel Erfahrung gesammelt haben. Man kann sagen, dass sich mein Leben immer um Football gedreht hat. Dazu hatte ich das große Glück, in Innsbruck geboren zu sein.
Weil es hier die Raiders gibt.
Genau. Mit den Raiders gibt es hier ein Spitzenteam. Ich bin von klein auf in den Genuss der besten Coaches gekommen, viele Amerikaner waren auch hier. Wir waren immer dabei bei den großen und entscheidenden Spielen. Davon habe ich profitiert. Was sicher noch für mich gesprochen hat, sind meine Athletik und mein Football-Wissen.
Sie waren seit Winter im Trainingslager in den USA. Sind Sie dort zu einem anderen Footballer geworden?
Es war mit Sicherheit eine Bereicherung und ich habe in dieser Zeit auch einiges dazu gelernt, aber im Grunde ist Football immer Football.
Und das bedeutet?
Natürlich war das Equipment dort besser, wir hatten mehr Zeit zur Regeneration und natürlich auch gute Trainer. Aber es ist nicht so viel Neues, als man im ersten Moment vielleicht glauben würde.
Was war denn die größte Herausforderung?
Mein Problem war eigentlich die Zeit vor diesem Trainingslager. Ich habe mir kurz vor der Reise am Knie den Meniskus operieren müssen und bin dann in den USA das erste Mal wieder gelaufen. Zum Glück habe ich kein einziges Training verpasst und das Knie hat die Belastungen ausgehalten. Inzwischen bin ich wieder bei 99 Prozent Gesundheit.
Sie stehen jetzt bei den New York Giants unter Vertrag. Wie geht’s weiter?
Wegen Corona wird sich jetzt alles ein wenig nach hinten verschieben. Sobald dort die Trainings wieder losgehen und es auch wieder Flüge gibt, werde ich nach New York übersiedeln und sofort rein starten, um alles schnell aufzuschnappen.
Und Sie müssen wieder um einen Startplatz kämpfen.
Jeder NFL-Verein geht im Sommer mit 90 Spielern in die Pre Season. Bis zum Ende der Probespiele wird der Kader dann auf 53 Profis und 10 Spieler reduziert, die im Training dabei sein dürfen und aktiviert werden, wenn sich einer verletzt. Ich möchte es in diesen 53-Mann-Kader schaffen. Den Platz im Trainingskader sollte ich im ersten Jahr dank einer Extraregelung sicher haben.
Als Jakob Pöltl als erster Österreicher in die NBA kam, hat er seinen Kollegen erst einmal erklären müssen, wo Österreich liegt. Fürchten Sie Ähnliches?
Mir ist es genauso gegangen, wie ich im ersten Trainingslager war. Ich kann das sogar verstehen: Österreich ist so klein, das muss man als Amerikaner nicht unbedingt kennen. Die meisten Amerikaner waren noch nie außerhalb ihres Landes, die kennen vielleicht vom Namen her Deutschland und China und sie wissen, dass Australien weit entfernt ist. Ich wäre überrascht, wenn einige Österreich kennen würden.
Eigentlich auf das Training. Vor allem darauf, wie und was in der NFL trainiert wird. Spannend wird auch, wie ich dort in die Mannschaft rein passe. Einige Giants-Spieler sind meine Idole, und jetzt stehe ich plötzlich mit denen auf dem Feld und spiele gemeinsam mit ihnen.
Also waren die New York Giants schon vorher eines Ihrer Lieblingsteams?
Ich habe mehrere Lieblingsteams, aber die Giants gehören definitiv dazu. Ich denke, dass ich vom Spielstil und von meiner Persönlichkeit gut in diese Mannschaft passe. In einer Stadt wie New York zu leben, ist natürlich auch nicht schlecht.
Noch eine indiskrete Frage: Wie schlägt sich Ihr Engagement in der NFL eigentlich finanziell nieder?
Einen Top-Vertrag habe ich natürlich nicht, ich werde einen Mindestvertrag kriegen. Aber ich war bisher Student, insofern ist es auf jeden Fall ein riesiger Unterschied.
Zur Information: In der Vergangenheit haben die Spieler des Pathway-Programms ungefähr 120.000 Dollar pro Saison erhalten.
Kommentare