“Von mir persönlich ist das Ganze noch ein bisschen entfernt, aber die Lage ist trotzdem ein Wahnsinn”, erklärt Jakob Pöltl während er sich im Monitor einem anderen Mann im Schlabber-Look gegenübersteht. Beide freunden sich gerade mit dem Home-Office an. Der eine ist in Wien daheim, der andere ein waschechter Wiener, der in der besten Basketball-Liga der Welt sein Geld verdient. In einem Video-Chat verrät Österreichs NBA-Pionier, wie es ihm in seiner US-Wahlheimat in der spielfreien Zeit geht, warum er dort festsitzt und wann es mit dem Liga-Betrieb weitergehen könnte.
Beinahe die ganze Welt lebt derzeit nach dem Motto “Abstand halten” - auch zu unseren Liebsten. Genießen Sie das “Privileg” bereits daran gewöhnt zu sein?
Jakob Pöltl: Ich bin nun seit sechs Jahren in den USA. Anfangs lebte ich auf dem College mit meinen Teamkollegen, seit vier Jahren lebe ich alleine. Man könnte schon sagen, dass ich es gewöhnt bin von der Familie weg zu sein, nachdem ich sie nur im Sommer sehe.
Angenommen, ein Lockdown stünde bevor, wo befänden Sie sich lieber, daheim in Wien oder in den USA?
Natürlich wäre ich lieber zuhause, obwohl beides seine Vor- und Nachteile hat. Ich habe eine Zeit überlegt und auch mit meiner Mama darüber gesprochen, ob es für mich Sinn machen würde, heimzukommen. Doch dann hat sich eben herausgestellt, dass es gar nicht gehen würde.
Aufgrund der Bewegungs- und Reisebeschränkungen?
Ich habe mich ein bisschen informiert, und zurzeit darf ich die USA bzw. Nordamerika nicht verlassen – von der NBA aus, denn die Saison ist nicht für beendet erklärt, sondern nur nach hinten verschoben worden.
Wie sieht Ihr Alltag aus?
Die Tage vergehen einfach so. Ich stehe auf, mache mir das Frühstück und danach beginnt schon das Heim-Training. Kurz nachdem wir aufgehört haben zu trainieren, wurden mir von meinem Klub einige Geräte zur Verfügung gestellt, damit ich Kraft- und Ausdauertraining betreiben kann. Am Abend telefoniere ich viel mit Freunden und der Familie, der Kontakt zu ihnen ist mir sehr wichtig. Für das Playstation-Spielen findet sich dann auch noch Zeit.
2,16 Meter groß
ist der Wiener, dessen Eltern Volleyballspieler waren. In Österreich spielte der Center für die D.C. Timberwolves und die Traiskirchen Lions.
18 Jahre jung
war Pöltl, als er 2013 vom College in Utah angeworben wurde.
8 Top-Talente
wurden 2016 im NBA-Draft vor ihm ausgewählt, er war der erste Österreicher, der es in die NBA schaffte. Pöltl kam zu den Toronto Raptors nach Kanada, 2018 wechselte er nach San Antonio zu den Spurs.
2,6 Millionen Euro
verdiente der 24-Jährige in der abgelaufenen Saison.
Haben Sie Kontakt zu Ihren Mannschaftskollegen?
Ja, aber eben nur einen digitalen. Unlängst hatte ich eine Video-Konferenz mit den Teamkollegen vom College. Die Hälfte davon habe ich lange nicht mehr gesehen oder gehört. Nun haben wir endlich Zeit füreinander gefunden. Es war ein positives Gespräch, in dem wir die alten Zeiten hochleben ließen und nicht auf die aktuelle Lage eingegangen sind.
In Europa kommen vor allem aus New York Schreckensmeldungen an. Wie sieht es in San Antonio aus?
Hier ist die Stimmung ein bisschen gespalten. Ich merke bei manchen Leuten, dass die Spannung hoch ist, andere sehen es hingegen lockerer. Es ist immer noch einiges mehr erlaubt als in Wien. Das Virus hat sich noch nicht so verbreitet, auch deshalb, weil sowohl San Antonio als auch Texas sehr weitläufig ist. Ich versuche trotzdem meinen Teil beizutragen, mich von den Leuten fernzuhalten und zu Hause zu bleiben. Die Stadt ist nicht komplett leer. Die Menschen bewegen sich noch im Grünen, sie holen das Essen von Restaurants ab. Aber ich glaube, wir nähern uns dem Zustand, wie er nun in Wien ist.
Wie stehen Sie derzeit zur Politik der US-Regierung?
Eines vorweg: Ich bin kein Experte, was Politik angeht, ich halte mich aber dennoch für gut informiert. Mittlerweile ist es offensichtlich, dass unser (Pöltl sagte wirklich unser, Anm.) Präsident starr, ja ein bisschen ignorant gegenüber dem Ganzen war. Man hat die Zeichen nicht früh genug gesehen und zu spät reagiert.
Wagen Sie eine Prognose anzustellen, wann und ob es weitergehen könnte?
Ich persönlich stelle es mir schwer vor, dass die Saison unter diesen Umständen weitergehen könnte. Ich wüsste nicht, wie sie es auf die Reihe bringen würden, die Sicherheit der Spieler, der Coaches und des ganzen Staff zu garantieren. Mit Fans wird es sowieso nicht gehen, nur Geisterspiele kämen infrage. Ich höre es immer wieder von meinem Team, dass sie die Saison unbedingt fertigspielen wollen. Wenn’s passiert, wäre es cool, ich würde mich freuen.
Kommentare