Jakob Pöltl: "Keine Ahnung, was ich ohne Basketball machen würde"
Erst wenige Wochen vor dem Saisonstart in der NBA verlängerte Jakob Pöltl Ende November bei den San Antonio Spurs. Die Unterschrift unter den Dreijahresvertrag machte den 25-jährigen Wiener um mehr als 22 Millionen Euro reicher.
KURIER: Es hätte leicht sein können, dass Sie nun statt in San Antonio irgendwo in den USA sitzen, während wir uns hier per Bildschirm sehen. Nun sind Sie doch bei den Spurs geblieben. Erleichtert?
Jakob Pöltl: Die Erleichterung war groß, weil ich mich nicht mehr mit dem Vertraglichen beschäftigen musste, sondern mich wieder auf Basketball konzentrieren konnte. Auf der anderen Seite muss man schon sagen, dass es schon spannend war zu erfahren, welche Teams an mir interessiert sind. Das war keine einfache Phase, hatte aber ihre Reize.
In den größten US-Ligen erlaubt es das Trade-System ja nicht wirklich, dass man sich den Arbeitgeber selbst auswählen kann. Wie ist es denn, wenn man quasi keine Wahl hat, sondern sich dem Willen des Klubs ergeben muss?
Ja, das stimmt schon. Ich kann es mir in den meisten Fällen nicht selbst aussuchen. Das ist nicht einfach, das gehört hier leider zum Job dazu. Man muss halt flexibel sein. Ich muss aber auch sagen, ich hatte relativ viel Glück mit meinen Teams, sowohl in Toronto als auch hier in San Antonio fühlte bzw. fühle ich mich sehr wohl.
Wäre es nicht reizvoll, nach Europa zurückzukehren und sich einen Klub an einem Wunschort zu suchen?
(lacht) Darüber können wir nach meiner NBA-Karriere reden.
Sie sind längst kein Neuling mehr. Wie schauen mittlerweile die Ansprüche aus?
Die Ansprüche sind auf jeden Fall gewachsen. Es ist Zeit, dass ich vor allem offensiv einen Schritt nach vorne mache. Ich glaube mich defensiv sehr gut entwickelt zu haben, offensiv habe ich mich in den vergangenen Jahren sehr zurückgehalten – auch weil wir viele andere Scorer im Team haben. Dass ich kein Rookie mehr bin, das ist ein komisches Gefühl, weil ich mich immer noch wie einer von den Jungen fühle. Ich habe mich also immer noch nicht dran gewöhnt.
Sind die San Antonio Spurs in dieser Saison besser aufgestellt als in der vergangenen?
(zögert) Ja. Auf dem Papier haben wir uns nicht sehr viel verändert. Im letzten Jahr hat uns das Talent ja nicht gefehlt. Wir haben aufgrund unserer schlechten Defensive viel zu viele Spiele liegen lassen, die wir eigentlich hätten gewinnen sollen. In den Köpfen der Spieler muss sich etwas verändern.
Mittlerweile sind Sie schon seit zweieinhalb Jahren in San Antonio, werden Sie auf der Straße erkannt?
Die Leute erkennen uns relativ oft auf der Straße. Die Spurs sind hier das A und O in der Stadt, egal wo man hingeht. Diese enge Bindung der Bewohner San Antonios zu dem Klub war mir von Anfang an bewusst.
Haben Sie sich jemals an die neugierigen Blicke gewöhnen können?
Ja, sicher, mittlerweile fällt mir das gar nicht mehr auf beziehungsweise bin ich meistens mit Kopfhörern und einer Kapuze unterwegs.
Was ist das größte Zuckerl am NBA-Profi-Dasein?
Sein Hobby zu seinem Job zu machen, noch dazu einem gut bezahlten – das ist es. Obwohl wir sehr hart trainieren, fühlt es sich nicht wie Arbeit an. Das ist natürlich eine coole Sache, vor allem, weil ich sonst keine Ahnung habe, was ich im Leben machen würde wenn es keinen Basketball gäbe.
Wie viel Freizeit haben Sie?
An einem ganz normalen Trainingstag habe ich relativ viel Freizeit, nachdem ich den Nachmittag und Abend für mich habe. Meine Freizeit ist allerdings so gut wie nie zu hundert Prozent Freizeit. Es gibt aufgrund der langen Saison (ein NBA-Team bestreitet in dieser Saison allein im Grunddurchgang 72 Spiele, hinzu kommen optional die Play-offs, Anm.) immer irgendetwas zu tun: ob Vorbereitung fürs nächste Spiel oder eine Art von Regeneration. Das schränkt meine Freizeit am meisten ein.
Was geht einem NBA-Profi am meisten ab?
Während einer NBA-Saison kommt es eigentlich nie vor, dass ich ein Wochenende frei habe. Was vielleicht mal vorkommt, ist ein Tag Pause, aber auch dieser ist für die Erholung nach einem Match verplant. Im Privatleben sind wir NBA-Profis schon sehr eingeschränkt, aber das gehört halt zum Job.
Was muss sich ein NBA-Profi niemals kaufen?
Trainingsgewand habe ich mir wahrlich lange nicht mehr gekauft. Alles was mit Basketball zu tun hat, bekommen wir vom Verein.
Welche Wünsche haben Sie für das kommende Jahr?
Für uns und mich eine erfolgreiche Saison, das bedeutet der Einzug in die Play-offs. Ansonsten hoffe ich natürlich, dass so bald wie möglich eine Art Normalzustand einkehrt. Die Welt ist schon zu lange in einem verrückten Zustand.
Wann sehen wir Sie wieder in Wien?
Am Ende der Saison. Hoffentlich nach den Finals (lacht).
Nachtrag: Die San Antonio Spurs starteten am Mittwoch erfolgreich in die NBA-Saison 2020/21, gewannen bei den Memphis Grizzlies 131:119. Pöltl kam auf vier Punkte und sieben Rebounds in 19:14 Minuten Einsatzzeit. Zudem verzeichnete er je einen Assist, Steal und Block.
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