Walkner: "Durchkommen ist mir zu wenig"

Matthias Walkner hat bei der Rallye Dakar einen Spitzenplatz im Visier.

Matthias Walkner ist mit Vollgas auf der Überholspur unterwegs. Im letzten Jahr gab er noch seine Premiere bei der Rallye Dakar, zuletzt raste der Salzburger Motorrad-Pilot bereits zum WM-Titel und ist nun Mitfavorit beim Kultrennen in Südamerika. Der KURIER traf den 29-Jährigen vor der Abreise zur Rallye. Also sprach Walkner über ...

Die Vorbereitungen. "Im letzten Jahr war das alles extrem kurzfristig: Im Herbst hatte ich den ersten Rallye-Start, dann war ich auf einmal bei der Dakar. Diesmal bin ich sehr gut gerüstet und habe auch viel Zeit investiert. Heuer hab’ ich zum Beispiel eine beheizbare Unterwäsche mit, die man auf bis zu 50 Grad aufdrehen kann. Letztes Mal hatte es 12 Grad minus, seither weiß ich: Wenn dir zu kalt ist, dann verbrauchst du viel zu viel Energie. Letztes Jahr hatte ich auch große Probleme mit dem Magen und musste deshalb aufgeben. Deshalb habe ich Nudeln, Reis, Honig und 120 Liter Wasser mitgenommen. Da geh ich jetzt auf Nummer sicher."

Die Fortschritte als Rallye-Pilot "Fahrtechnisch ist seit dem letzten Jahr extrem viel weiter gegangen. Mir ist vorgekommen, als ob mir heuer erst so richtig der Knopf aufgegangen ist. Vor allem das Navigieren geht inzwischen viel besser, ich verfahre mich nicht mehr so oft. Aber ich nehme mir auch viel mehr Zeit für das Roadbook und weiß inzwischen, welche Informationen für mich wichtig sind. Auch an die hohen Geschwindigkeiten habe ich mich gewöhnt. Alles über 100 km/h hat sich am Anfang unsicher angefühlt, jetzt taugt’s mir, wenn es mit 160 km/h dahingeht.

Die größten Hindernisse. "Das Fahren durch Dünen mag ich überhaupt nicht. Es ist brutal gefährlich. Mit Risiko könntest du da zwar extrem viel Zeit gutmachen, aber es steht nicht dafür. Das Problem ist: Wenn du auf eine Düne zufährst, hast du keine Ahnung, was dich dahinter erwartet. Zu 99 Prozent kannst du drüber springen, aber wehe auf der Düne dahinter ist ein Busch oder ein riesiger Stein. Mich hat’s genau so einmal zusammengestaucht. Damals habe ich beschlossen: Lieber fahre ich intelligenter und verliere da drei Minuten, aber langfristig zahlt sich das aus."

Die Höhenluft bei der Dakar. "Es geht in diesem Jahr wieder bis auf 4700 Meter hinauf. Die Höhe spürt man extrem, da fährt man wie in Trance. Ich habe zur Vorbereitung mehrere Tage auf dem Kitzsteinhorn verbracht und mir für daheim extra ein Höhenzelt besorgt. Bis Weihnachten habe ich da drin geschlafen."

Walkner: "Durchkommen ist mir zu wenig"
ABD0055_20151218 - SALZBURG - ÖSTERREICH: Der österreichische Motocross-Fahrer und Weltmeister Matthias Walkner anl. der PK KTM vor der Rallye Dakar, am Freitag, 18. Dezember 2015, in Salzburg. - FOTO: APA/BARBARA GINDL

Die Renntaktik."Man muss sich schon genau überlegen, bei welcher Etappe man aufs Gas drückt. Denn wenn man Erster wird, dann heißt das auch, dass man am nächsten Tag als Erster starten musste. Vorneweg zu fahren ist viel schwieriger, weil du keine Orientierungs- und Referenzpunkte hast. Wenn du aber als Fünfter oder Sechster startest, kannst du dich an den Spuren der anderen orientieren oder siehst auch einmal den Staub. Deswegen: Wenn ein schwieriger Tag zum Navigieren ist, dann sollte ich die Etappe am Vortag nicht gewinnen."

Seine Ziele. "Ich bin jetzt nicht mehr der Rookie, sondern der Weltmeister. Damit haben sich auch meine Ansprüche verändert. Sollte ich ohne Sturz und technische Probleme durchkommen, dann müssen mindestens die Top fünf drinnen sein. Ziel wäre eigentlich ein Top 3-Platz. Das ist realistisch, weil ich bei den letzten drei WM-Läufen immer zumindest Zweiter war. Nur Durchfahren allein wäre zu wenig."

Seinen Status."Das Coole ist ja: Wie ich letztes Jahr bei der Dakar eine Etappe gewonnen habe, haben die Konkurrenten gesagt: ,Jetzt hat er halt Glück gehabt.’ Aber ich weiß nicht,ob es jemanden schon gelungen ist, dass er die dritte Etappe gleich gewinnt. Ich merke schon,dass ich mir einen gewissen Status erarbeitet habe. Unterschätzt werde ich heuer nicht mehr. "

Stürze und Gefahren. "Ich bin vorsichtiger geworden, weil ich auch immer mehr Gefahren erkenne und einschätzen kann. Weil ich auch weiß, dass man mit Vollgas allein die Dakar nicht gewinnt. Ich hatte diese Saison einen Sturz, der richtig erwähnenswert war. Mit 120 km/h bin ich 35 Meter durch die Luft gesprungen, voll auf den Rand eines ausgetrockneten Baches. Es ist ein extrem schiaches Gefühl und hat mir die Augen geöffnet. Der Mama erzähle ich solche Sachen lieber nicht."

Die Tortur der Dakar. "Die Tage werden schon extrem lang. Wenn man im Ziel ist, geht’s ja noch weiter. Manchmal muss man erst noch stundenlang eine Überführungsetappe fahren. Dann redet man mit dem Mechaniker, dann bereitet man das Roadbook für den nächsten Tag vor. Das dauert auch einige Stunden. Zu mehr als drei, vier Stunden Schlaf kommt man nicht, vor allem weil rundherum die ganze Nacht geschraubt und gearbeitet wird. Letztes Jahr war’s eine echte Katastrophe, deshalb habe ich heuer Schlaftabletten mit. Alle nehmen die."

Walkner: "Durchkommen ist mir zu wenig"

Menschliche Bedürfnisse. "Man schwitzt sehr viel und meistens geht es sich eh bis zum Tankstopp aus. Jetzt werden zwar viele sagen, dass das grauslig ist: Aber letztes Jahr habe ich es einmal während der Etappe rinnen lassen. Da warnt man dann den Mechaniker vor und sagt: ’Wasch lieber alles ab, bevor du was anrührst.’"

Den Genussfaktor Dakar. "Man erlebt schon sehr viel. Letztes Jahr hat mir ein Hobbyfahrer geholfen, weil mir der Benzin ausgegangen ist. An das erinnere ich mich gerne zurück. Oder an Bolivien, wo du auf einem Weg, der nicht breiter als ein Tisch war, durch 70.000 Leute durchgefahren bist. In Buenos Aires waren sogar 650.000 Zuschauer. Da war mir dann auch klar, wieso sich so viele Hobbyfahrer die Dakar antun und dafür 100.000 Euro ausgeben. Du kriegst hier einfach das Gefühl dass du der Oberhero bist."

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