Für 30 Minuten galt Helmut Marko als Rassist. Auslöser war eine Aussage des 77-jährigen Steirers in einem Interview, woraufhin sich auch Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton zu Wort meldete: „Helmut, es macht mich traurig, dass du den Kampf schwarzer und farbiger Menschen um Gleichberechtigung als Ablenkung betrachtest. Ehrlich gesagt, tut mir das ziemlich weh.“ Allein: Die Aussage hat es nie gegeben. Hamilton ist - wie viele andere auch - einer Fake-News-Meldung aufgesessen. „Ich bin aus allen Wolken gefallen“, gesteht Helmut Marko. Aber: „Hamilton hat sich schriftlich bei mir entschuldigt, damit war die Sache für mich erledigt.“ Dem Motorsportberater von Red Bull gebührt aktuell eher Lob. Er ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Formel 1 am 5. Juli in Spielberg den Saisonstart wagt.
KURIER:Herr Marko, die Vorschriften werden streng sein. Wie wird Ihr Tag an der Rennstrecke aussehen?
Helmut Marko: Es wird ein besonderer Heim-Grand-Prix. Ich darf erstmals nicht daheim schlafen, sondern muss alle Tage innerhalb der Blase beim Team bleiben. Die Nervosität ist aufgrund des ersten Rennens bei allen schon groß. Niemand will hier auch nur das kleinste Risiko eingehen. Selbst wir von Red Bull haben alle geplanten PR- und Werbeaktivitäten abgesagt.
Wie schwierig waren die Verhandlungen, dass der Saisonstart in Österreich stattfindet?
Ich war nur in die erste Phase eingebunden. Ich habe angefragt, wie es um das Interesse der Rechteinhaber bestellt ist, den Saisonstart in Spielberg zu versuchen. Nachdem die Signale positiv waren, ging die Arbeit erst so richtig los. Die Detailarbeit haben aber die Leute vom Projekt Spielberg geleistet. Es waren viele Details, die zu klären waren. Eines muss man wissen.
Was denn?
Wir hatten es ja nicht nur mit einer Liste an Vorschriften zu tun. Zu den Vorgaben der österreichischen Regierung kamen jene des Weltautomobilverbands FIA sowie jene der Formel 1 hinzu. Und die Vorgaben der FIA sind rigoroser als jene der Bundesregierung.
Wie sehen die sportlichen Erwartungen vor der Saison aus?
Favorit ist nach wie vor Mercedes mit Lewis Hamilton. Aber wir sehen uns als erster und seriöser Herausforderer. Für uns spricht, dass wir in den vergangenen beiden Jahren in Spielberg gewonnen haben. Das haben wir nicht vergessen. Aber generell gilt: Alle tappen im Dunkeln. Wir waren zuletzt im Februar bei den Testfahrten auf der Rennstrecke. Die Autos, die nun in Spielberg zum Einsatz kommen, werden nahezu komplett anders sein. Unsere Updates sind massiv. Jedoch sind sie nicht praxiserprobt.
Die Saison wird kürzer als üblich sein. Ist Standfestigkeit daher noch wichtiger als Aggressivität auf der Strecke?
Ein heikles Thema. Einerseits muss man in einer kürzeren Saison von Anfang an vorne mit dabei sein und womöglich da und dort Risiko nehmen. Andererseits solltest du dir keinen Ausfall leisten. Die Anzahl der Gesamtrennen ist nach wie vor unklar aufgrund der Pandemie. Das Skurrile ist ja, dass von den geplanten Rennen außerhalb Europas der Grand Prix von China derzeit am wahrscheinlichsten ist.
Dass Vettel Ferrari verlassen wird, war keine große Überraschung mehr."
von Helmut Marko
über seinen langjährigen Schützling
Mit wie vielen Rennen rechnen Sie?
Wenn ich mir den provisorischen Kalender ansehe mit Rennen in den USA, Mexiko und Brasilien, dann braucht man schon sehr viel Fantasie, um sich das aktuell vorstellen zu können. Aber es gibt genügend Reservekandidaten in Europa. Zwischen 10 und 15 Rennen sollten sich ausgehen.
In der rennfreien Zeit ist viel passiert. Ferrari hat den Vertrag von Sebastian Vettel nicht verlängert. Waren Sie überrascht?
Dass Vettel Ferrari verlassen wird, war keine große Überraschung mehr. Dass das Ende der Zusammenarbeit aber so früh bekannt gegeben wird, war schon ungewöhnlich. Der dadurch entstandene Dominoeffekt mit den Fahrerwechseln war unausweichlich, ist aber für alle Involvierten womöglich nicht ganz ideal. Einige Teams haben jetzt Fahrer in ihren Autos, die 2021 woanders unter Vertrag stehen. Der Fahrer muss nun so viele Infos wie nötig bekommen, um heuer noch schnell zu sein, gleichzeitig darfst du ihm in Hinblick auf 2021 nicht jedes Detail verraten.
Der Rennfahrer
Der am 27. April 1943 geborene Grazer drückte mit Jochen Rindt die Schulbank. Beide entdeckten früh ihre Leidenschaft für den Rennsport. 1971 gewann Marko die 24 Stunden von Le Mans mit einem Durschnittstempo von 222,3km/h. Die Rekordfahrt sollte erst 2010 überboten werden.Neun Grands Prix bestritt er in der Formel 1. Für 1973 unterschrieb er einen Vorvertrag bei Ferrari, doch ein Rennunfall 1972, bei dem er ein Auge verlor, beendete seine aktive Karriere
Der Geschäftsmann
Nach seinem Jus-Studium stieg Marko in die Hotelbranche ein. Er betreibt in Graz u.a. das Schlossberg- und das Augarten-Hotel. Zudem ist er Sammler zeitgenössischer Kunst aus Österreich. Seit den 1990er-Jahren ist er Motorsportberater von Red Bull.
Sie sind Hotelier. Wie hat sich die Corona-Krise geschäftlich ausgewirkt?
Es war schon katastrophal. Die Auslastung vor Corona war überdurchschnittlich gut. Und plötzlich bist du bei null. Wir sind stark auf Geschäftsreisende ausgerichtet und abhängig von Events in der Stadt. Da spürst du Flugverbote und geschlossene Grenzen noch stärker. Die Herausforderung ist noch immer, das Jahr irgendwie zu überleben. Nur mit österreichischen Gästen wird es sich nicht ausgehen.
Was ist es für ein Gefühl, Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken zu müssen?
Es ist eine Herausforderung, der ich mich als Inhaber stellen muss. Das ist meine Pflicht. Jetzt freue ich mich, dass eine gewisse Normalität zurückkehrt. Deshalb bedeutet es mir auch persönlich viel, dass der Grand Prix stattfindet. Er trägt sicher dazu bei, dass die Angst und die Verunsicherung, die innerhalb der Bevölkerung wahrzunehmen sind, ein wenig verschwinden.
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